Liebe KollegInnen,
In Ingrid Newkirks Bemühen, sich mit Victor Schonfelds Essay Fünf fatale Fehler des Aktivismus für Tiere auseinanderzusetzen, versucht sie, Tierschutzreformen in folgender Weise zu rechtfertigen.
Jene, die graduelle Entwicklung verächtlich machen, würde der praktische Philosoph Peter Singer fragen:''Würden Sie es vorziehen, in dem Horror zu leben, in dem Sie leben, geboren, um sieben Mal schneller, als der Natur entspricht, zu wachsen, so dass Ihre Knochen splittern und Ihre Organe kollabieren, oder würden Sie es vorziehen, ohne chronische Schmerzen leben zu können? Würden Sie Ihr Leben lieber in einem kleinen Käfig gepfercht verbringen, unfähig, Ihre Flügel zu heben, ein Nest zu bauen oder irgendetwas anderes von dem zu tun, was Sie tun wollten, oder würden Sie lieber, zum Allermindesten, imstande sein, zu gehen? Würden Sie es vorziehen, kopfüber an den Füßen aufgehängt und dann zu Tode gebrüht zu werden, oder Ihr Bewusstsein zu verlieren, wenn der Kasten, in dem Sie sich befinden, eine Vorrichtung zur Betäubung in kontrollierter Atmosphäre durchläuft? Die Antwort sollte klar sein.Lassen Sie uns gleichartige Fragen im Kontext der Ausbeutung von Menschen stellen:
Würden Sie es vorziehen, ein Eis zu bekommen, bevor Sie sexuell belästigt werden? Würden Sie es vorziehen, nicht gefoltert zu werden, bevor man Sie ermordet? Wäre es Ihnen lieber, 15 Minuten lang anstatt 20 gefoltert zu werden, bevor man Sie ermordet? Würden Sie es vorziehen, nicht geprügelt zu werden, bevor Sie vergewaltigt werden? Wäre Ihnen Waterboarding auf einem gepolsterten Brett lieber als auf einem ungepolsterten?
Die Antwort sollte klar sein.
Es ist natürlich besser, jemandem geringeren Schaden als größeren Schaden zuzufügen. Aber das lässt die grundlegende Frage offen, ob wir das Zufügen von Schaden überhaupt rechtfertigen können. Wenn Vergewaltigung falsch ist, sollten wir keine Kampagnen für ''humane'' Vergewaltigung führen. Der gleiche Befund gilt für Pädophilie, Folter, Mord etc.
Darüber hinaus erkennt Newkirk eine simple ökonomische Realität nicht an: Da Tiere bewegliches Eigentum sind und keinen Eigenwert haben, sind die einzigen Tierschutzreformen, die akzeptiert werden, diejenigen, welche einen wirtschaftlichen Nutzen für uns haben. PETA bestätigt dies ausdrücklich in seiner Kampagne für das Vergasen von Geflügel – diese Schlachtmethode ist wirtschaftlich viel besser für Produzenten. Das ist genau der Grund, warum immer mehr Hühner verarbeitende Betriebe diese Tötungsmethode übernehmen. Sie macht wirtschaftlichen Sinn. Aber die ökonomische Realität des Eigentums Tier bedeutet, dass das Niveau des Tierschutzes stets sehr niedrig und mit der effizienten Ausbeutung von Tieren verknüpft ist. Also ist PETA faktisch zu einem Partner der Tierindustrie darin geworden, Tierausbeutung effizienter zu machen. Großartig.
Was Newkirk sich nicht die Mühe macht, bezüglich Singers zu erwähnen, ist, dass er nicht denkt, dass das Essen von Tieren oder Tierprodukten an sich moralisch problematisch ist. Tatsächlich hat Singer wiederholt gesagt, dass, weil die meisten Tiere kein Interesse an ihrem Leben hätten, das Problem nicht darin besteht, dass wir sie nutzen, sondern wie wir sie nutzen. Singer ist der Ansicht, dass es moralisch akzeptabel ist, ein Allesesser zu sein, wenn Sie Sorge tragen, Fleisch und Produkte von Tieren zu essen, die ''human'' aufgezogen und geschlachtet worden sind. Ich diskutiere dieses Thema ausführlich in meinen Büchern (insbesondere in Animals as Persons: Essays on the Abolition of Animal Exploitation und in meinem in April 2010 bei Columbia University Press erscheinenden Buch The Animal Rights Debate: Abolition or Regulation?).Aber Sie können auch hier einige Essays zur Sache lesen.( 1, 2, 3, 4)
Newkirk, deren Organisation laut Newsweek Magazine annähernd 85% der Tiere, die sie rettet, tötet, scheint mit Singer darin übereinzustimmen, dass der Tod nicht per se ein Schaden für Tiere ist. Demnach ist für Singer und Newkirk das zur Debatte Stehende die Behandlung von Tieren, nicht ihre Nutzung. Aber das ist eine Art und Weise, das Problem zu analysieren, die sich grundlegend von derjenigen unterscheidet, die wir anwenden würden, wären Menschen betroffen. und ich würde behaupten, dass das, was diesen Unterschied bedingt, nichts anderes als Speziesismus ist.
Die meisten von uns glauben, dass es moralisch falsch ist, Tieren ''unnötiges'' Leiden zuzufügen und sie ohne ''Notwendigkeit'' zu töten. Was immer sonst ''Notwendigkeit'' bedeutet, es muss bedeuten, dass wir es nicht rechtfertigen können, Tieren Leiden zufügen und sie zu töten aus Gründen des Vergnügens, des Genusses oder der Bequemlichkeit. Dass wir dies glauben, wurde in überwältigender Weise durch den allgemeinen Aufschrei über den Fall des Hundekämpfe veranstaltenden Michael Vick demonstriert.
Aber wie ich in meinem Essay: We're ALL Michael Vick [Wir alle sind Michael Vick] notiert habe, gibt es keinen Unterschied dazwischen, um eine Grube herum zu sitzen und Hunden beim Kämpfen zuzuschauen und um einen Grill herum zu sitzen und die Leichen von Tieren zu rösten, die ganz genauso gequält worden sind wie Vicks Hunde. Wir müssen keine Tierprodukte essen. Tatsächlich räumen mehr und mehr Mainstream-Gesundheitsexperten ein, dass Tierprodukte der menschliche Gesundheit abträglich sind. Und landwirtschaftliche Tierhaltung ist ohne Frage ein Umweltdesaster. Gewiss, wir bezahlen jemand anderen dafür, das Töten zu besorgen, aber das ist eine Differenzierung ohne moralischen Unterschied.
Folglich steht unser Konsum von Tierprodukten im Widerspruch mit einem moralischen Prinzip, das die meisten von uns (Singer und Newkirk, der Vater und die Mutter der ''Bio-Fleisch''-Bewegung, ironischerweise ausgenommen) akzeptieren: Unter sonst gleichen Umständen, erlegt uns das Faktum, das eine Handlung einem empfindungsfähigen Wesen Leiden und Tod verursacht, die Last auf, dafür eine Rechtfertigung zu liefern; wir sollten niemals irgendeine empfindungsfähige Kreatur verletzten, sicherlich nicht, ohne dafür einen sehr guten Grund zu haben. Und unsere Geschmacksvorlieben sind kein besserer Grund als Vicks Vergnügen beim Anschauen von Hundekämpfen.
Warum also formulieren wir die Frage nicht um: Ist es besser, empfindungsfähige Wesen ein kleines bisschen weniger zu quälen oder nur Nahrungsmittel zu essen, die keinerlei Leiden oder Tod einschließen und die besser für unseren Körper und den Planeten sind?
Die Antwort sollte klar sein.
Abschließend möchte ich bemerken, dass Newkirk in Beantwortung von Schonfelds Kritik an PETAs Sexismus sagt:
Was die sexy Frauen in unseren Werbeanzeigen betrifft, die albernen Kostüme, die Darstellungen auf der Straße und das Verteilen von Tofusandwiches, in einer Welt, in der Menschen lächeln möchten, nicht widerstehen können, ein attraktives Bild anzuschauen und immer Lust auf eine Gratismalhlzeit haben, wenn solche harmlosen Possen dem Einzelnen erlauben, seine eigenen Rolle in der Ausbeutung von Tieren zu überdenken, was kann daran auszusetzen sein?Denkt Newkirk wirklich, dass Sexismus und die fortgesetzte Verdinglichung von Frauen in einer Welt, in der Vergewaltigung und sexuelle Belästigung jede Sekunde jeden Tages passieren, ''harmlose Possen'' darstellen?
Denkt Newkirk wirklich, dass es eine gute Idee ist, bezüglich des Problems Sexismus Leute zum ''Lächeln'' zu bringen?
Denkt Newkirk wirklich, dass das Schlachten von 56 Milliarden Tieren pro Jahr (Fische nicht mitgerechnet) eine Gelegenheit dafür ist, ein ''Lächeln'' hervorzurufen?
Sollten wir nackte Frauen Geld für Haiti sammeln lassen, so dass Menschen ''lächeln''?
Hätte Martin Luther King Jr., beschworen in PETAs jüngster Werbung, in der eine farbige Frau ''für die Tiere'' strippt, es jemals gutgeheißen, Menschen ein ''Lächeln'' abzugewinnen, indem er lieber nackt gewesen wäre, als im hinteren Teil des Busses zu sitzen?
Die Antworten, Ingrid, sollten wiederum klar sein.
DIE WELT IST VEGAN! Wenn Du es willst.
Gary L. Francione
©2010 Gary L. Francione