Wednesday 31 January 2007

Klärung dessen, was ein ''Recht'' ist

von Gary L. Francione [erschienen 31. 01. 07)

Es gibt beträchtliche Konfusion über das Konzept von Rechten. Es ist uns oft unklar, wovon wir sprechen, wenn wir von Menschenrechten reden. Dieser Mangel an Klarheit ist noch ausgeprägter, wenn wir von ''Tierrechten'' sprechen, weil einige diesen Begriff gebrauchen, um jede Regulierung des Tierschutzes zu bezeichnen, und einige, wie ich, ihn als ein Synonym für die Abschaffung der Tierausbeutung verwenden.

Es gibt keinen größeren Beweis der Konfusion unter Anwälten der Tiere als die Tatsache, dass Peter Singer, der ''Vater der Tierrechtsbewegung'', nicht an Rechte für Menschen oder Nichtmenschen glaubt!

Das Rechtskonzept hat sicherlich eine Menge philosophischer Diskussionen und Debatten hervorgerufen. Aber wir können einen Schnitt durch all dies machen und den Rechtsbegriff klären zu dem Zweck, einige grundlegende Aspekte dieses Konzepts zu verstehen.

Was ist ein Recht?

Ein Recht ist einfach eine Art und Weise, ein Interesse zu schützen.

Ein Interesse ist etwas, das wir wollen, begehren oder bevorzugen. Wir alle haben Interessen. Einige Interessen sind uns gemeinsam. Zum Beispiel haben wir alle ein Interesse an Nahrung und medizinischer Versorgung. Einige Interessen sind individueller. Ich habe keinerlei Interesse daran, Golf zu spielen, viele Menschen tun es leidenschaftlich.

Bezüglich jeglichen Interesses gibt es im Wesentlichen nur zwei Wege, es zu schützen.

1. Wir können das Interesse n dem Maß schützen, in dem dies zu tun allgemein wünschenswerte Konsequenzen zeitigt.
2. Wir können das Interesse schützen ungeachtet dessen, ob dies allgemein wünschenswerte Konsequenzen zeitigt.

Der zweite Weg, ein Interesse zu schützen, stellt dar, was ein Recht ist.
Nehmen wir folgendes Beispiel:

Ich habe ein Interesse an meiner Freiheit. Wir können dieses Interesse konsequenzialistisch schützen, das heißt nur in dem Maß, in dem dies zu tun ein gutes Ergebnis produziert.

Was aber, wenn ich eine politisch unerwünschte Person bin, deren Meinung und Ansichten andere verärgern, dienen es viel lieber wäre, wenn ich im Gefängnis säße und mir nicht erlaubt wäre, meine Meinung zu äußern?

Wenn mein Interesse an meiner Freiheit nur in dem Maß geschützt ist, in dem, alles in allem, meine Freiheit ein Nutzen und nicht ein allgemeiner Schaden ist, dann kann ich, abhängig von dem Gewicht, das den konkurrierenden Interessen beigelegt wird, durchaus eingesperrt werden.

Andererseits können wir mein Interesse an Freiheit schützen, selbst wenn meine politischen Ansichten andere verletzen. In diesem Fall können wir sagen, dass ich ein Recht auf meine Freiheit habe. Das ist einfach eine andere Art und Weise zu sagen, dass mein Interesse an meiner Freiheit geschützt ist, selbst wenn mein Eingespertsein vorteilhafte Konsequenzen für andere hätte.

Das bedeutet allerdings nicht, dass mein Recht auf Freiheit absolut ist. wenn ich ein Verbrechen begehe und von einem Gericht jenseits eines vernünftigen Zweifels für schuldig befunden werde, kann mir meine Freiheit genommen werden. Aber das ist so, weil ich durch mein Handeln den Schutz meines Interesses an meiner Freiheit verwirkt habe.

Nehmen wir ein anderes Beispiel: mein Interesse an meinem Leben.

Ich habe sicherlich ein Interesse an meinem Leben. In der Tat würde ich sagen, dass für die meisten von uns das Interesse am eigenen Leben wahrscheinlich stärker ist als unser Interesse daran, nicht zu leiden. Immerhin unterziehen sich viele Menschen schmerzhaften medizinischen Verfahren, um von lebensgefährlichen Krankheiten geheilt zu werden.

Wir können dieses Interesse wiederum konsequenzialistisch schützen und mich etwa als nicht zustimmendes Objekt eines biomedizinischen Experimentes verwenden und töten, wenn dies zu tun Daten produziert, die vielen anderen Menschen von Nutzen sind. Oder Sie können mich töten zu dem Zweck, mir Organe für Transplantationen zu entnehmen und dadurch, mir das Leben zu nehmen, viele Leben zu retten.

Alternativ dazu können Sie mein Interesse an meinem Leben schützen, selbst wenn mein Tod dadurch für andere vorteilhaft wäre, dass ich als unfreiwilliges Versuchsobjekt oder als Organspender diene. In diesem Fall können wir sagen, dass ich ein Recht auf Leben habe, was einfach eine andere Art und Weise zu sagen ist, dass mein Interesse an meinem Leben geschützt ist, selbst wenn vorteilhafte Konsequenzen eintreten könnten, würde dieses Interesse nicht geschützt.

Das Recht auf Leben ist nicht absolut. Wenn, zum Beispiel, Joe mich ohne Provokation mit mörderischer Gewalt attackiert, ist es mir gestattet, mich zu verteidigen und ihm, falls erforderlich, das Leben zu nehmen. In einer solchen Situation denken wir aufgrund seines Handelns nicht, dass Joes Interesse an seinem Leben geschützt sein sollte. Aber wir übergehen dieses Interesse nicht einfach, weil dies zu tun gute Konsequenzen hätte.

Ein Recht ist wie eine Mauer, die ein Interesse umgibt. An der Mauer ist ein Schild angebracht mit der Aufschrift: ''Du kannst keine Übergriffe vornehmen, nur weil dies zu tun für Dich oder andere von Vorteil wäre.''

Ein besonderes Recht: Das Recht, nicht das Eigentum anderer zu sein

Wenn Menschen über Menschenrechte diskutieren, dann ist das, worüber sie eigentlich diskutieren, die Frage, welche menschlichen Interessen ungeachtet von Konsequenzen geschützt werden sollten. Und es gibt sicherlich erhebliche Meinungsverschiedenheiten darüber, welchen Interessen diese Art Schutz zukommen sollte.

Allerdings gibt es ein Interesse, über das sich die meisten nicht streiten – unser Interesse daran, nicht die Ressource oder das Eigentum oder der Sklave eines anderen zu sein. Damit ist nicht gesagt, dass Menschensklaverei nicht mehr existiert, es gibt sie. Aber niemand verteidigt sie, wie andere Formen der Diskriminierung und Ausbeutung verteidigt werden. Wir betrachten jeden Menschen als Inhaber des Rechtes, kein Sklave zu sein. In der Tat ist das Verbot der Menschensklaverei eines der wenigen moralischen Rechte, die von der internationalen Gemeinschaft anerkannt werden.

Warum ist das so? Weshalb erachten wir die Versklavung von Menschen als eine besonders üble Sache?

Die Antwort lautet, weil Sklaven keine wirklichen Rechte haben. Jeder Schutz ihrer Interessen, den Sklaven genießen, ist nur konsequenzialistisch. Das heißt, wir schützen ihre Interessen nur in dem Maß, in welchem dies zum Nutzen eines anderen (üblicherweise des Sklavenhalters) ist. Sklaverei behandelt Menschen als Inhaber nur äußeren oder bedingten Wertes. Sklaverei erkennt Menschen den über ihren Eigentumswert für andere hinausgehenden, ihnen innewohnenden (inhärenten)Wert ab. Wenn Menschen überhaupt einen moralischen Wert haben, wenn sie irgendeinen Wert jenseits ihres von anderen bestimmten äußerer Wertes als Wirtschaftsgüter/ Waren haben, dann müssen wir Menschen, welche anderen Rechte auch immer wir ihnen geben mögen, das Grundrecht zusprechen, nicht das Eigentum oder die Ressource von anderen zu sein.

Das Recht, nicht Eigentum zu sein, hängt nicht von individuellen Eigenschaften ab. Von Leuten wie Peter Singer abgesehen, denkt der Rest von uns, dass ein geistig schwer behinderter Mensch ebenso sehr das Recht hat, nicht als unfreiwilliges Versuchsobjekt behandelt zu werden, wie ein Genie. Das heißt, wir denken, dass das Interesse der behinderten Person und des Genies darin, nicht als eine Ressource behandelt zu werden, ungeachtet von Konsequenzen respektiert werden sollte. Schließlich wertschätzen die behinderte Person und das Genie sich beide selbst, auch wenn niemand sonst es tut.

Das Recht, nicht Eigentum zu sein, bedeutet einfach, dass das Interesse, nicht als ein Wirtschaftsgut / eine Ware behandelt zu werden, geschützt werden muss, selbst wenn es, bestimmte Menschen so zu behandeln, für andere von Nutzen wäre. Wenn wir dieses Interesse nicht in dieser Art und Weise – mit einem Recht – schützen, dann werden einige Menschen (jene, die wir nicht wertschätzen) als Wirtschaftsgut / Ware behandelt und des Schutzes aller ihrer anderen fundamentalen Interessen beraubt werden, einschließlich ihres Interesses an fortgesetzter Existenz, wenn dies für uns von Vorteil ist.

Tiere und Eigentum

Auch nichtmenschliche Tiere haben Interessen. In der Tat sind Tiere – menschliche und nichtmenschliche – die einzigen Wesen im Universum, die Interessen haben, weil sie empfindungsfähig sind; sie haben subjektives Bewusstsein. So weit wir wissen, haben Steine und Pflanzen keine Interessen. Diese Objekte haben keinen Geist; es gibt nichts, was eine Pflanze oder ein Stein will, begehrt oder bevorzugt.

Empfindungsfähige Nichtmenschen haben, abhängig von der Artzugehörigkeit, alle Arten von Interessen. Sie können leiden und haben ein Interesse daran, nicht zu leiden. Und alle empfindungsfähigen Nichtmenschen haben ein Interesse am Leben. Wie ich in meinen Schriften und an anderer Stelle auf meiner Website argumentiere, bedeutet empfindungsfähig zu sein, ein Interesse am Weiterleben zu haben. Empfindungsfähigkeit ist kein Selbstzweck; es ist ein Mittel zu dem Zweck fortgesetzter Existenz für bestimmte Wesen, die sich evolutionär dahin entwickelt haben, empfindungsfähig zu sein, um zu überleben. Zu sagen, ein Wesen sei empfindungsfähig, aber wolle nicht, strebe nicht danach oder bevorzuge nicht, am Leben zu bleiben, ist absurd.

Tiere haben ein Interesse daran, nicht als Nahrungsmittel oder für Experimente, Bekleidung, Erholung, Unterhaltung etc. genutzt zu werden. Diese Aktivitäten sind nur möglich, weil Tiere als Eigentum betrachtet werden. Selbst wild lebende Tiere werden in den meisten Fällen als das Eigentum des Staates betrachtet, als welches sie auf den Status des Eigentums Einzelner reduziert werden, die sie in vorgeschriebener Weise zu vorgeschriebenen Zeiten töten. Obwohl einige von uns nichtmenschliche Gefährten haben, die wir als Mitglieder unserer Familie ansehen, sind diese Nichtmenschen, rechtlich gesehen, nichts als Dinge, die wir besitzen. Obwohl es einige rechtliche Beschränkungen dessen gibt, wie wir unser tierliches Eigentum behandeln, sind es nicht viele.

Tierschutzgesetze können nicht als Nichtmenschen Rechte verleihend verstanden werden. In dem Maß, in dem diese Gesetze die Interessen von Tieren schützen, bieten sie nur konsequenzialistischen Schutz. Das heißt, wir schützen die Interessen von Tieren nur in dem Maß, in welchem wir einen Wert damit verbinden. Wir fordern, dass ein Nichtmensch elektrisch betäubt wird, bevor er geschlachtet wird. Wir tun dies nicht, weil es im Interesse des Nichtmenschen liegt, wir tun es, weil es in unserem Interesse liegt. Ein betäubtes Tier verursacht weniger Verletzungen von Schlachthausarbeitern und eine geringere Beschädigung des Schlachtkörpers, was, laut ''Visionär'' Temple Grandin, die Fleischindustrie sicher, effizient und rentabel am Laufen hält.

Gibt es einen guten Grund dafür, Nichtmenschen das eine Recht abzusprechen, das wir allen Menschen zusprechen, ungeachtet besonderer Eigenschaften? Wie ich argumentiert habe, lautet die Antwort nein. Der einzige Weg, auf dem wir zwischen Menschen und Nichtmenschen bezüglich des Rechts, nicht als Eigentum behandelt zu werden, unterscheiden können, ist es, Speziesismus zu praktizieren.

Wenn nichtmenschliche Tiere ethisch von Belang sind – wenn sie einen Wert jenseits dessen haben, lediglich Dinge von äußerem oder bedingtem Wert zu sein –, dann müssen wir ihr Interesse daran, keine Wirtschaftsgüter / Waren zu sein, ungeachtet von Konsequenzen schützen. Dies erfordert, dass wir die Tierausbeutung abschaffen und nicht lediglich regulieren, dass wir uns um domestizierte Tiere, die jetzt auf der Welt sind, kümmern, und dass wir aufhören, domestizierte Tiere für unseren Gebrauch in die Welt zu setzen.

Schluss
Zusammenfassend:

*- Ein Recht ist eine Art und Weise, ein Interesse zu schützen.
*- Ein Recht ist ein nicht-konsequenzialistischer Schutz eines Interesses.; das heißt, wir schützen ein Interesse, selbst wenn es allgemein gute Konsequenzen hätte, täten wir es nicht.
*- Wenn Menschen der moralischen Gemeinschaft angehören sollen, können sie nicht das Eigentum anderer sein. Deshalb müssen wir das Interesse von Menschen, nicht als Eigentum behandelt zu werden, in einer nicht-konsequenzialistischen Weise schützen. Wir müssen jedem Menschen das Recht gewähren, nicht als das Eigentum eines anderen behandelt zu werden.
*- Entsprechend gilt: Wenn Nichtmenschen Mitglieder der moralischen Gemeinschaft sein sollen, müssen wir ihrem Interesse, nicht als Ressourcen gebraucht zu werden, nicht-konsequenzialistischen Schutz bieten.
*-Dies erfordert, dass wir Tierausbeutung abschaffen.

Das ist es, was ich meine, wenn ich von ''Tierrechten'' spreche. Wir müssen das Interesse von Nichtmenschen daran, nicht als Dinge behandelt zu werden, in besonderer Weise schützen. Dieser Schutz kann nicht von Konsequenzen abhängig sein.

Wenn Sie an einer weiterführenden Diskussion dieses Themas interessiert sind, sollten Sie sich Theorie der Tierrechte auf meiner Website anschauen.

Ich habe hier ein weites Feld abgedeckt und es gibt vieles mehr, das hätte gesagt werden können. Ich werde dieses Thema in künftigen Essays in Beantwortung der Nachfragen und Kommentare, die ich von Ihnen bekomme, weitergehend ansprechen.

Gary L. Francione
© 2007 Gary L. Francione

Wednesday 10 January 2007

Tierrechte und Domestikation

von Gary L. Francione Blog

Ein Aspekt meiner Theorie der Tierrechte, wie in Introduction to Animal Rights: Your Child or the Dog? und an anderer Stelle formuliert, der einige Anwälte der Tiere stört, ist der, dass wenn wir die Rechtsposition akzeptieren, wir keine domestizierten Tiere mehr in die Welt setzen sollen. Dies beziehe ich nicht nur auf diejenigen Tiere, die wir als Nahrungsmittel, Bekleidung, für Experimente usw. nutzen, sondern ebenso auf unsere tierlichen Gefährten.

Wenn Sie dem Tierschutzansatz anhängen, der besagt, dass die Nutzung von Tieren moralisch akzeptabel ist, solange Sie sie ''human'' behandeln, und der die bessere Regulierung der Tiernutzung als das Ziel ansieht, dann kann ich sicherlich verstehen, dass Sie meine Ansicht ablehnen. Aber wenn Sie wie ich als das Hauptproblem der Tierausbeutung die Nutzung von Tieren ansehen, ungeachtet dessen, wie ''human'' wir sind, und als das Ziel die Abschaffung der Tierausbeutung, dann ist mir nicht klar, warum meine Position Ihnen irgendwelche Schwierigkeiten bereiten sollte.

Die Logik ist simpel: Wir behandeln Tiere als unser Eigentum, als Ressourcen, die wir für unsere Zwecke nutzen können. Wir setzen Milliarden von ihnen in die Welt zu dem einzigen Zweck, sie zu nutzen und zu töten. Wir haben diese Tiere dazu gezüchtet, für ihr Überleben abhängig von uns zu sein.

Die zentrale Position meiner Rechtstheorie ist es, dass wir keine Rechtfertigung dafür haben, Tiere als unser Eigentum zu behandeln, ebenso wie wir keine Rechtfertigung dafür hatten, andere Menschen als Sklaven zu behandeln. Wir haben die Menschensklaverei in den meisten Teilen der Welt abgeschafft; in gleicher Weise sollten wir die Tiersklaverei abschaffen.

Aber was bedeutet das im Kontext von Tieren? Sollten wir Tiere ''befreien'' und frei in den Straßen herumlaufen lassen? Nein, natürlich nicht. Das wäre ebenso unverantwortlich, wie kleinen Kindern zu erlauben, frei herumzulaufen. Wir sollten sicherlich für diejenigen Tiere, die wir bereits in die Welt gesetzt haben, sorgen, aber wir sollten aufhören, die Existenz weiterer zu verursachen. Wir haben keine Rechtfertigung dafür, Tiere zu nutzen – wie ''human'' auch immer wir sie behandeln.

Ich habe zwei Einwände mit Bezug auf diese Ansicht gehört:

Zunächst gibt es das Bedenken, dass wir ''Biodiversität'' verlieren, wenn wir keine domestizierten Tiere mehr haben.

Selbst wenn fortgesetzte Domestikation für biologische Vielfalt notwendig wäre, würde das nicht bedeuten, dass sie moralisch zulässig wäre. Wir müssen diese Streitfrage allerdings nicht behandeln. Es gibt nichts ''Natürliches'' an domestizierten Tieren. Sie sind Kreaturen, die wir durch selektive Züchtung und Gefangenhaltung geschaffen haben. Soweit sie undomestizierte, in der Natur lebende Verwandte haben, sollten wir diese sicherlich zu schützen suchen, zuerst und vor allem um ihrer selbst willen und zweitrangig zu dem Zweck, die Artenvielfalt zu erhalten. Aber der Schutz gegenwärtig existierender domestizierter Tierarten ist für eine wie auch immer beschaffene Biodiversität nicht erforderlich.

Zweitens, und häufiger, drücken Anwälte der Tiere das Problem, das sie mit meiner Ansicht zur Domestikation haben, aus, indem sie auf die Tatsache hinweisen, dass viele von uns mit Tieren leben und sie als Mitglieder ihrer Familie behandeln. Dieses Arrangement, so argumentieren sie, muss zweifellos moralisch akzeptabel sein.

Soweit es tierliche Gefährten angeht, behandeln einige von uns sie als Familienmitglieder und einige von uns tun es nicht. Aber wie auch immer Sie Ihre Hunde, Katzen und anderen Heimtiere behandeln, diese sind, rechtlich gesehen, Eigentum. Wenn Sie Ihren Hund als Mitglied Ihrer Familie betrachten und ihn gut behandeln, schützt das Gesetz diese Ihre Entscheidung, ebenso wie es Ihre Entscheidung schützt, alle 1000 km einen Ölwechsel bei Ihrem Auto vorzunehmen – der Hund und das Auto sind Ihr Eigentum, und wenn Sie wünschen, Ihrem Eigentum einen höheren Wert [von seinem Marktwert unabhängigen ''ideellen'' Wert] zuzumessen, schützt das Gesetz Ihre Entscheidung.

Aber wenn Sie wünschen, Ihrem Eigentum einen geringeren Wert zuzumessen und beispielsweise einen Wachhund haben, den Sie angekettet in Ihrem Hof halten und mit nur einem Minimum an Futter, Wasser und Schutz vor Witterung versorgen – ohne ihm Gesellschaft oder Zuwendung zuteil werden zu lassen –, schützt das Gesetz diese Entscheidung ebenfalls.

Die Realität ist, dass in den Vereinigten Staaten die meisten Hunde und Katzen nicht in einem liebevollen Zuhause an Altersschwäche sterben. Die meisten haben ein Zuhause für relativ kurze Zeit, bevor sie an einen anderen Besitzer übertragen, ins Tierheim gebracht, anderweitig ''entsorgt'' oder zu einem Tierarzt zum Einschläfern gebracht werden.

Es spielt keine Rolle, ob wir einen Eigentümer als ''Vormund'' bezeichnen, wie es uns einige Anwälte der Tiere zu tun drängen. Eine solche Bezeichnung ist bedeutungslos. Diejenigen von uns, die mit tierlichen Gefährten leben, sind von Gesetzes wegen Eigentümer und haben, mit wenigen Einschränkungen, das gesetzliche Recht, unsere Tiere so zu behandeln, wie wir es für angebracht halten.Tierschutzgesetze finden auf die überwiegende Mehrzahl der Fälle, in denen Menschen Nichtmenschen grausam behandeln, nicht einmal Anwendung.

Aber, erwidern jene Anwälte der Tiere, wir könnten, zumindest theoretisch, ein anderes und moralisch akzeptables Verhältnis mit Tieren haben. Was wäre, wenn wir den Eigentumsstatus von Tieren abschafften und verlangten, dass wir Hunde und Katzen in gleicher Weise wie menschliche Kinder behandeln? Wenn Menschen, die mit Hunden und Katzen leben, diese nicht länger instrumentalisieren könnten (etwa als Wachhunde, ''Ausstellungshunde'' und ''-katzen'' usw.), sondern sie als Familienmitglieder behandeln müssten? Wenn Menschen Tiere nicht töten dürften, außer in Fällen, in denen zumindest einige von uns eine assistierte Selbsttötung im menschlichen Kontext als zulässig erachten (wenn ein Mensch zum Beispiel unheilbar krank ist und unter starken Schmerzen steht). Wäre es dann vertretbar, damit fortzufahren, Tiere zu dem Zweck zu züchten, unsere Gefährten zu sein?

Die Antwort lautet: Nein.

Einmal davon abgesehen, dass die Entwicklung allgemeiner Standards dessen, was das Behandeln von Tieren als ''Familienmitglieder'' darstellen würde, und die Lösung aller damit verbundenen Probleme praktisch unmöglich wäre, versäumt es diese Position anzuerkennen, dass Domestikation an sich ernste moralische Fragen aufwirft ungeachtet dessen, wie die davon Betroffenen behandelt werden.

Domestizierte Tiere sind von uns darin abhängig, ob und wann sie essen, ob sie Wasser haben, wo und wann sie sich erleichtern, wann sie schlafen, ob sie Auslauf bekommen usw. Anders als Menschenkinder, die, außer in unüblichen Fällen, unabhängige und funktionierende Mitglieder der menschlichen Gesellschaft werden, sind domestizierte Tiere weder Teil der Tierwelt noch ganz Teil unserer Welt. Sie verbleiben für immer in einer Unterwelt der Verletzlichkeit, Wehrlosigkeit, abhängig von uns in allem, was für sie von Belang ist. Wir haben sie dazu gezüchtet, gefügig und unterwürfig zu sein oder Eigenschaften zu haben, die für sie sogar schädlich, für uns aber angenehm sind. Wir können sie in einem gewissen Sinne glücklich machen, aber das Verhältnis kann niemals ''natürlich'' oder ''normal'' sein. Sie gehören nicht in unsere Welt gebannt, gleichviel, wie gut wir sie behandeln.

Dies trifft mehr oder weniger auf alle domestizierten Tiere zu. Sie sind dauernd von uns abhängig. Wir kontrollieren für immer ihr Leben. Sie sind wahrhaftig ''Tiersklaven''. Wir mögen wohlwollende Herren sein, aber wir sind wirklich nichts anderes. Und das kann nicht richtig sein.

Meine Partnerin und ich leben mit fünf [vor dem Einschläfern] geretteten Hunden. Alle fünft wären tot, hätten wir sie nicht adoptiert. Wir lieben sie sehr und bemühen uns sehr, bestmöglich für sie zu sorgen. (Und bevor jemand fragt, wir sieben sind alle Veganer!). Sie würden wahrscheinlich keine zwei Menschen auf dem Planeten finden, die das Zusammenleben mit Hunden mehr genießen als wir es tun.

Aber wenn zwei Hunde im Universum übrig wären, und es wäre an uns, zu entscheiden, ob sie sich vermehren dürfen, damit wir fortfahren könnten, mit Hunden zusammenzuleben, und selbst wenn wir garantieren könnten, dass alle Hunde ein ebenso liebevolles Zuhause wie bei uns haben, wir würden nicht einen Moment zögern, die ganze Einrichtung des Eigentums an ''Heimtieren'' zu einem Ende zu bringen. Wir betrachten die Hunde, die bei uns leben, als eine Art Flüchtlinge, und obwohl wir es genießen, für sie zu sorgen, ist es klar, dass Menschen kein Recht haben, fortzufahren, diese Wesen in eine Welt zu setzen, in die sie einfach nicht hineinpassen.

Einige Anwälte der Tiere denken, dass ''Tierrechte'' bedeuten, dass Tiere eine Art Recht hätten, sich zu vermehren, weshalb es falsch sei, sie zu sterilisieren. Wenn diese Ansicht zuträfe, dann wären wir moralisch verpflichtet, zuzulassen, dass alle domestizierten Arten fortfahren, sich unendlich fortzupflanzen. Wir könnten dieses ''Recht auf Fortpflanzung'' nicht auf Hunde und Katzen beschränken. Überdies macht es keinen Sinn zu sagen, dass wir unmoralisch gehandelt haben darin, nichtmenschliche Tiere zu domestizieren, dass wir jetzt aber verpflichtet sind, zuzulassen, dass sie sich weiterhin vermehren. Wir haben einen moralischen Fehler gemacht, überhaupt erst anzufangen, Tiere zu domestizieren; was macht es dann für welchen Sinn, diesen Fehler zu verewigen?

Ich kann, kurz gesagt, verstehen, dass Tierschützer, für die die Behandlung von Tieren und nicht ihre Nutzung das moralische Hauptproblem darstellt, denken, dass Domestizierung und fortgesetzte Nutzung von Tieren vertretbar sind, solange wir Tiere ''human'' behandeln. Aber warum jemand, der sich selbst als Abolitionist betrachtet, denkt, dass die fortgesetzte Domestikation irgendwelcher Tiere gerechtfertigt werden könnte, vorausgesetzt
wir behandelten sie gut, kann ich nicht verstehen, ebenso wie ich nicht verstehen kann, wie jemand, der sich selbst als Abolitionist betrachtet, irgend etwas anderes als Veganer sein kann.

Mit dem Untertitel meines Buches –Ihr Kind oder der Hund? (Your Child or the Dog) –, der Vorstellung von einem Kind und einem Hund in einem brennenden Haus (oder in einem Rettungsboot oder was immer) ist beabsichtigt, unsere Aufmerksamkeit auf die Tatsache zu lenken, dass wir moralische Konflikte zwischen Menschen und Tieren aufzulösen suchen. Aber wir kreieren diese Konflikte dadurch, dass wir den Hund gewissermaßen in das brennende Haus zerren, indem wir ihn als eine für uns zu nutzende Ressource in die Welt setzen. Und dann fragen wir uns, wie wir den von uns geschaffenen Konflikt auflösen können! Das macht keinen Sinn. .

Wenn wir Tiere ernst nähmen, würden wir aufhören, sie als unsere Ressourcen, als unser Eigentum zu behandeln. Aber das würde bedeuten, aufzuhören, Tiere in die Welt zu setzen, um sie als Nahrungsmittel, Kleidung, für Experimente oder zu irgendeinen anderen Zweck zu gebrauchen, einschließlich zu dem Zweck, Gefährten für uns zu sein.

Gary L. Francione
© 2007 Gary L. Francione