Saturday 10 April 2010

Rette einen Seehund; iss nicht-kanadische Meeresfrüchte

von Gary L. Francione Blog

Liebe KollegInnen,

in seinem Bericht zur Robbenschlachtung: besondere Gelegenheit zu helfen, schreibt der CEO [chief executive officer:Hauptgeschäftsführer] von HSUS [Humane Society of the United States], Wayne Pacelle:
Es ist ein Tag, dem ich jedes Jahr mit Schrecken entgegensehe: wenn der erste Schlag oder die erste Kugel ein Robbenbaby an Kanadas Ostseeküste trifft. Es markiert den Beginn des weltweit größten internationalen Schlachtens von Meeressäugern.

Die HSUS-Lösung des Problems? Sie hat zwei Teile.

Erstens hat HSUS eine ''Rette heute einen Seehund''-Kampagne angestoßen, die dazu aufruft, eine Verpflichtungserklärung zu unterschreiben, ''keine in Kanada produzierten Meeresfrüchte – wie Eismeerkrabben, Kabeljsu, Muscheln und Schrimps –zu kaufen, bis Kanada seine kommerzielle Robbenjagd für immer einstellt.''

Laut HSUS sollen wir also in Kanada produzierte Meeresfrüchte boykottieren und stattdessen in Amerika, Frankreich, Norwegen, Japan etc. produzierte Meeresfrüchte essen. Aber haben Sie keine Sorge. Wir müssen die leckeren kanadischen Produkte nicht für immer aufgeben. Wenn die Kanadier das kommerzielle Robbenschlachten erst mal eingestellt haben, können wir den Verzehr dieser Produkte wieder aufnehmen.

Der erste Teil dieser Lösung tut nicht nur, was nahezu jede Einzelthema-Kampagne tut – die Botschaft senden, dass einige Tiere, ob Robben, Wölfe oder Menschenaffen, einen höheren moralischen Wert als andere haben –, sondern sie verstärkt ausdrücklich diese speziesistische Wertung, indem sie Menschen dazu ermuntert, andere nicht-kanadische Meerestiere zu konsumieren, bis Kanada aufhört, die Robben zu töten (als kommerzielles Unternehmen).

Nun, ich verstehe, dass Menschen Robben niedlicher finden als Kabeljau, Schrimps, Muscheln etc., aber die menschliche Wahrnehmung von Niedlichkeit sollte nicht das Kriterium für Mitgliedschaft in der moralischen Gemeinschaft sein.

HSUS notiert:
Warum kanadische Meeresfrüchte boykottieren? Weil es funktioniert.
Eine kleine Gruppe kommerzieller Fischer in Ostkanada tötet Robbenbabys ihres Fells wegen, was ihnen einen winzigen Teil ihres Jahreseinkommens einbringt. Deren Industrie hat einen Einbruch ihrer Einnahmen erlebt, seit wir vor ein paar Jahren den Boykott gestartet haben.
Wenn wir also mit dem Boykott fortfahren und das Robbenschlachten endet, dann kann die kanadische Meeresfrüchte-Industrie wiedererstehen und mit ihrem vordem höheren Niveau des Schlachtens von Fischen und anderer aquatischer Tiere fortfahren.

Der Unterschied ist, dass Kabeljau, Schrimps, Muscheln etc., obwohl vermutlich für andere Kabeljau, Schrimps, Muscheln etc. anziehend, nicht diese kleinen Gesichter haben, die uns Menschen nur so dahinschmelzen lassen.

Aber empfindungsfähige Meerestiere wertschätzen ihr Leben ebenso wie Robben das ihre.

Der erste Teil der von HSUS betriebenen Lösung des Problems des Robbentötens ist also ausdrücklich spezieistisch und bekräftigt die Vorstellung, dass einige Tiere [moralisch] eine größere Rolle als andere spielen. Und HSUS macht einen weiteren Schritt, die Öffentlichkeit zu ermuntern, die weniger beliebten Tiere zugunsten der beliebteren zu konsumieren.

Tierschutzorganisationen machen zunehmend Gebrauch von Boykotten, die ausdrücklich Tierausbeutung fördern. Zum Beispiel verkündete PETA einen Boykott von Kentucky Fried Chicken, bis KFC zustimmen würde, seine Hühner von Produzenten zu kaufen, welche die Vögel vergasen, was PETA als ''humanere'' Art und Weise des Tötens der Tiere und als wirtschaftlich profitabler für Hühnerproduzenten bewirbt. Als KFC in Kanada einwilligte, brach PETA seinen Boykott (in Kanada) ab. Die gesendete Botschaft ist kristallklar: Es ist moralisch akzeptabel, Vögel zu konsumieren, die vergast wurden.

Zweitens stellt Pacelle fest:
Dieser Kampf kann demoralisierend sein. Aber wir müssen unseren Blick auf unser Ziel gerichtet halten. Heute bitte ich Sie darum, uns zu helfen, es [das Robbensclachten] ein für alle Mal zu beenden. Wenn Sie uns jetzt in unseren Bemühungen, Robben zu retten, unterstützen, wird Ihre Spende durch die Giant Spep Foundation und andere großzügige Spender verdreifacht. Diese geben uns für jedem Dollar, den Sie spenden, bis wir eine Gesamtsumme von $400.000 erreichen, zwei Dollar. Bitte erwägen Sie eine besondere Zuwendung – mit dieser Chance, jeden Dollar, den Sie spenden, in drei zu verwandeln –, um uns zu helfen, die Schlacht schließlich zu gewinnen.
Demnach kann laut HSUS Ihre finanzieller Beitrag dem Verein helfen, ''die Schlacht schließlich zu gewinnen'', weil ein Gesamtbeitrag von $400.000 für HSUS $1,2 Millionen wert ist.

Ich verstehe das nicht.

Wie kann jemand ohne eine Miene zu verziehen erklären, dass $1,2 Mio. einen bedeutsamen Unterschied machen? Pacelle räumt ein, dass HSUS ein Jahresbudget von $150 Mio. hat, und Finanzakten zeigen an, dass der Verein Kapitalvermögen von fast $225 Mio. besitzt.

Aber weitere $1,2 Mio. sind es, was wir brauchen, um ''uns zu helfen, die Schlacht schließlich zu gewinnen''?

Es ist selbstverständlich schrecklich, dass Robben getötet werden. Aber ebenfalls schrecklich ist es, dass einige diese Tragödie benutzen, um ein paar Dollars mehr zu scheffeln.

Ich sollte hinzufügen, dass die HSUS-Robbenkampagne von der Humane Society International (HSI) dirigiert wird. HSI hat ein ''''Humane Choice''-Label in Australien eingeführt, das, wie sie behaupten, ''dem Konsumenten garantiert, dass das Tier mit Respekt und Fürsorge behandelt wurde, von der Geburt bis zum Tod.'' Ein Produkt, welches das ''Humane Choice''-Label trägt, versichert den Konsumenten des Folgenden:
[D]as Tier hatte das beste Leben und den besten Tod, der einem Nutztier geboten wird. Die Tiere leben ihr Leben im Wesentlichen so, wie sie es auf Old McDonald's Farm getan hätten; ihnen wurde gestattet, ihre natürlichen Verhaltensbedürfnisse zu befriedigen, nach Futter zu suchen, sich unangebunden und ohne Käfig zu bewegen, mit freiem Zugang zu Außenbereichen, mit Sonnenschutz, wenn es heiß ist, einem Unterstand, wenn es kalt ist, mit gutem Futter und einem humanen Tod.
Lassen Sie uns also dem Tag, an dem das Robbentöten beginnt, ''mit Schrecken entgegensehen'', aber der Öffentlichkeit versichern, dass das tägliche Schlachten von Millionen von Nutztieren ganz in Ordnung ist.

Und auf einer kürzlichen Nachrichtenkonferenz zum Thema Tiere, die für Nahrungszwecke genutzt werden, stellte Pacelle fest:
Wir fordern nicht das Ende des Einsperrens von Tieren in Gebäuden. Wir fordern, dass sie nicht in Käfigen und Kästen, die kaum größer als ihre Körper sind, gepfercht werden.
Lassen Sie uns also ''die Schlacht gewinnen'' gegen das Töten von Robben, aber für ein bisschen mehr Platz für Tiere sorgen, die in Tierfabriken gequält werden.

Es sollte offenkundig für Sie sein, dass die Mainstream-Gruppen (und sie sind alle ziemlich gleich) als geschäftliche Unternehmen Tiere ausbeuten, und dass nichts davon etwas damit zu tun hat, das Leitbild weg von Tieren als Eigentum hin zu Tieren als moralischen Personen zu verschieben.

Die Kampagne gegen das Robbentöten läuft seit Jahrzehnten. Sie hat noch nicht geendet. Aber viele der Mainstream-Gruppen haben über diese Jahrzehnte hinweg Millionen und Abermillionen Dollar von der Kampagne gemacht.

Es gibt nur einen Weg, den Status Quo zu verändern: in den Menschen die Standardeinstellung zu vertreiben, dass Tiere Dinge sind. Es gibt ein Mittel zu diesem Zweck: kreative, gewaltlose Aufklärung über Veganismus.

Die Alternative ist, den Leuten zu erzählen, dass sie amerikanischen statt kanadischen Kabeljau essen sollen, bis Kanada aufhört, bestimmte Tiere zu töten, die das Glück haben, uns zu gefallen. Die Alternative ist, so zu tun, als gebe es irgendeinen Unterschied zwischen Robbenfell und der Haut irgendeines anderen Tieres. Die Alternative ist, daran festzuhalten, dass wir aufhören sollen, niedliche Robbenbabys zu töten, aber fortfahren können, Kühe, Schweine und Hühner mit einem auf ihre Leichen geklatschten ''Humane Choice''-Label zu konsumieren.

Diese Alternativen machen keinen Sinn. In der Tat sind sie kontraproduktiv, indem sie die Öffentlichkeit dazu verleiten zu denken, wir könnten bedeutungsvolle moralische Unterschiede zwischen verschiedenen Arten der Tierausbeutung machen.

Deshalb sage ich zu Wayne Pacelle, den ich seit vielen Jahren kenne: Wayne, willst Du wirklich ''die Schlacht schließlich gewinnen''? Dann bring Dein Talent und das Deiner Kollegen bei HSUS und die beträchtlichen Ressourcen des Vereins hinter eine einzige klare Botschaft:

Leben Sie vegan. Hören Sie auf, Tiere zu konsumieren, als Bekleidung oder anderweitig zu nutzen.

Wayne, wenn Du wirklich willst, dass sich die Dinge ändern, dann höre auf, die Vorstellung zu fördern, dass einige Tiere moralisch eine größere Rolle als andere spielen. Höre auf, ''Bio-Fleisch'', ''Bio-Eier'', ''Bio-Milch'' und die Idee von ''verantwortlichem Züchten'' zu bewerben. Höre auf, das Hirngespinst zu verbreiten, dass es in einigen Schlachthäusern ''Missstände'' gibt und nicht in anderen. Kläre Deine 11 Millionen Mitglieder darüber auf, dass das Problem die Nutzung von Tieren ist und dass es nicht darum geht, bestimmte Tiere zu fetischisieren oder Tierquälerei zu reformieren, was angesichts des Status von Tieren als bewegliches Eigentum ohnehin niemals zu einem verbesserten Schutz von Tieren führen wird und die Öffentlichkeit sich lediglich wohler bei der Ausbeutung und dem Konsumieren von Tieren fühlen lässt. Sicher, Deine konservativeren Spender werden dagegen Einwände haben, aber was solls? Stell Dir die Wirkung, den Einfluss vor, den Du haben könntest, würdest Du klarstellen, dass eine ''humane'' Gesellschaft eine ist, die jegliche Tiernutzung ablehnt.

An Sie alle: Wenn Sie nicht vegan leben: Fangen Sie damit an. Es ist unglaublich leicht; es ist besser für Ihre Gesundheit und für den Planeten. Aber was das Wichtigste ist, es ist das moralisch Richtige.

Und dann gehen Sie daran, andere in kreativer, gewaltloser Weise über Veganismus aufzuklären. Eine anderen mitgeteilte Idee ist so viel mehr wert als ein bereits unwahrscheinlich reichen Organisationen gespendeter Dollar – selbst wenn jeder von Ihnen gespendete Dollar sich verdreifacht.

Zum Schluss: Bitte vergessen Sie bei all der Aufmerksamkeit für Robben und andere ''besondere'' Tiere nicht, dass es Millionen Hunde, Katzen, Ratten, Mäuse, Fische, Vögel und andere Tiere gibt, die ein Zuhause brauchen. Heute. Bitte adoptieren Sie einen heimatloses Tier. Es gibt mehr Tiere, die ein Zuhause brauchen, als je zuvor. Die Wohnungskrise beraubt Tiere wie Menschen Ihres Zuhauses. Bitte adoptieren Sie. Wir sind verantwortlich dafür, dass domestizierte Tiere in einer Welt sind, in die sie nicht hineinpassen. Das Mindeste, was wir tun können, ist, ihnen einen Platz oder eine Zuflucht zu geben. Tiere zu adoptieren ist eine wichtige Form von Tierrechtsaktivismus.

Gary L. Francione
©2010 Gary L. Francione