Wednesday, 10 January 2007

Tierrechte und Domestikation

von Gary L. Francione Blog

Ein Aspekt meiner Theorie der Tierrechte, wie in Introduction to Animal Rights: Your Child or the Dog? und an anderer Stelle formuliert, der einige Anwälte der Tiere stört, ist der, dass wenn wir die Rechtsposition akzeptieren, wir keine domestizierten Tiere mehr in die Welt setzen sollen. Dies beziehe ich nicht nur auf diejenigen Tiere, die wir als Nahrungsmittel, Bekleidung, für Experimente usw. nutzen, sondern ebenso auf unsere tierlichen Gefährten.

Wenn Sie dem Tierschutzansatz anhängen, der besagt, dass die Nutzung von Tieren moralisch akzeptabel ist, solange Sie sie ''human'' behandeln, und der die bessere Regulierung der Tiernutzung als das Ziel ansieht, dann kann ich sicherlich verstehen, dass Sie meine Ansicht ablehnen. Aber wenn Sie wie ich als das Hauptproblem der Tierausbeutung die Nutzung von Tieren ansehen, ungeachtet dessen, wie ''human'' wir sind, und als das Ziel die Abschaffung der Tierausbeutung, dann ist mir nicht klar, warum meine Position Ihnen irgendwelche Schwierigkeiten bereiten sollte.

Die Logik ist simpel: Wir behandeln Tiere als unser Eigentum, als Ressourcen, die wir für unsere Zwecke nutzen können. Wir setzen Milliarden von ihnen in die Welt zu dem einzigen Zweck, sie zu nutzen und zu töten. Wir haben diese Tiere dazu gezüchtet, für ihr Überleben abhängig von uns zu sein.

Die zentrale Position meiner Rechtstheorie ist es, dass wir keine Rechtfertigung dafür haben, Tiere als unser Eigentum zu behandeln, ebenso wie wir keine Rechtfertigung dafür hatten, andere Menschen als Sklaven zu behandeln. Wir haben die Menschensklaverei in den meisten Teilen der Welt abgeschafft; in gleicher Weise sollten wir die Tiersklaverei abschaffen.

Aber was bedeutet das im Kontext von Tieren? Sollten wir Tiere ''befreien'' und frei in den Straßen herumlaufen lassen? Nein, natürlich nicht. Das wäre ebenso unverantwortlich, wie kleinen Kindern zu erlauben, frei herumzulaufen. Wir sollten sicherlich für diejenigen Tiere, die wir bereits in die Welt gesetzt haben, sorgen, aber wir sollten aufhören, die Existenz weiterer zu verursachen. Wir haben keine Rechtfertigung dafür, Tiere zu nutzen – wie ''human'' auch immer wir sie behandeln.

Ich habe zwei Einwände mit Bezug auf diese Ansicht gehört:

Zunächst gibt es das Bedenken, dass wir ''Biodiversität'' verlieren, wenn wir keine domestizierten Tiere mehr haben.

Selbst wenn fortgesetzte Domestikation für biologische Vielfalt notwendig wäre, würde das nicht bedeuten, dass sie moralisch zulässig wäre. Wir müssen diese Streitfrage allerdings nicht behandeln. Es gibt nichts ''Natürliches'' an domestizierten Tieren. Sie sind Kreaturen, die wir durch selektive Züchtung und Gefangenhaltung geschaffen haben. Soweit sie undomestizierte, in der Natur lebende Verwandte haben, sollten wir diese sicherlich zu schützen suchen, zuerst und vor allem um ihrer selbst willen und zweitrangig zu dem Zweck, die Artenvielfalt zu erhalten. Aber der Schutz gegenwärtig existierender domestizierter Tierarten ist für eine wie auch immer beschaffene Biodiversität nicht erforderlich.

Zweitens, und häufiger, drücken Anwälte der Tiere das Problem, das sie mit meiner Ansicht zur Domestikation haben, aus, indem sie auf die Tatsache hinweisen, dass viele von uns mit Tieren leben und sie als Mitglieder ihrer Familie behandeln. Dieses Arrangement, so argumentieren sie, muss zweifellos moralisch akzeptabel sein.

Soweit es tierliche Gefährten angeht, behandeln einige von uns sie als Familienmitglieder und einige von uns tun es nicht. Aber wie auch immer Sie Ihre Hunde, Katzen und anderen Heimtiere behandeln, diese sind, rechtlich gesehen, Eigentum. Wenn Sie Ihren Hund als Mitglied Ihrer Familie betrachten und ihn gut behandeln, schützt das Gesetz diese Ihre Entscheidung, ebenso wie es Ihre Entscheidung schützt, alle 1000 km einen Ölwechsel bei Ihrem Auto vorzunehmen – der Hund und das Auto sind Ihr Eigentum, und wenn Sie wünschen, Ihrem Eigentum einen höheren Wert [von seinem Marktwert unabhängigen ''ideellen'' Wert] zuzumessen, schützt das Gesetz Ihre Entscheidung.

Aber wenn Sie wünschen, Ihrem Eigentum einen geringeren Wert zuzumessen und beispielsweise einen Wachhund haben, den Sie angekettet in Ihrem Hof halten und mit nur einem Minimum an Futter, Wasser und Schutz vor Witterung versorgen – ohne ihm Gesellschaft oder Zuwendung zuteil werden zu lassen –, schützt das Gesetz diese Entscheidung ebenfalls.

Die Realität ist, dass in den Vereinigten Staaten die meisten Hunde und Katzen nicht in einem liebevollen Zuhause an Altersschwäche sterben. Die meisten haben ein Zuhause für relativ kurze Zeit, bevor sie an einen anderen Besitzer übertragen, ins Tierheim gebracht, anderweitig ''entsorgt'' oder zu einem Tierarzt zum Einschläfern gebracht werden.

Es spielt keine Rolle, ob wir einen Eigentümer als ''Vormund'' bezeichnen, wie es uns einige Anwälte der Tiere zu tun drängen. Eine solche Bezeichnung ist bedeutungslos. Diejenigen von uns, die mit tierlichen Gefährten leben, sind von Gesetzes wegen Eigentümer und haben, mit wenigen Einschränkungen, das gesetzliche Recht, unsere Tiere so zu behandeln, wie wir es für angebracht halten.Tierschutzgesetze finden auf die überwiegende Mehrzahl der Fälle, in denen Menschen Nichtmenschen grausam behandeln, nicht einmal Anwendung.

Aber, erwidern jene Anwälte der Tiere, wir könnten, zumindest theoretisch, ein anderes und moralisch akzeptables Verhältnis mit Tieren haben. Was wäre, wenn wir den Eigentumsstatus von Tieren abschafften und verlangten, dass wir Hunde und Katzen in gleicher Weise wie menschliche Kinder behandeln? Wenn Menschen, die mit Hunden und Katzen leben, diese nicht länger instrumentalisieren könnten (etwa als Wachhunde, ''Ausstellungshunde'' und ''-katzen'' usw.), sondern sie als Familienmitglieder behandeln müssten? Wenn Menschen Tiere nicht töten dürften, außer in Fällen, in denen zumindest einige von uns eine assistierte Selbsttötung im menschlichen Kontext als zulässig erachten (wenn ein Mensch zum Beispiel unheilbar krank ist und unter starken Schmerzen steht). Wäre es dann vertretbar, damit fortzufahren, Tiere zu dem Zweck zu züchten, unsere Gefährten zu sein?

Die Antwort lautet: Nein.

Einmal davon abgesehen, dass die Entwicklung allgemeiner Standards dessen, was das Behandeln von Tieren als ''Familienmitglieder'' darstellen würde, und die Lösung aller damit verbundenen Probleme praktisch unmöglich wäre, versäumt es diese Position anzuerkennen, dass Domestikation an sich ernste moralische Fragen aufwirft ungeachtet dessen, wie die davon Betroffenen behandelt werden.

Domestizierte Tiere sind von uns darin abhängig, ob und wann sie essen, ob sie Wasser haben, wo und wann sie sich erleichtern, wann sie schlafen, ob sie Auslauf bekommen usw. Anders als Menschenkinder, die, außer in unüblichen Fällen, unabhängige und funktionierende Mitglieder der menschlichen Gesellschaft werden, sind domestizierte Tiere weder Teil der Tierwelt noch ganz Teil unserer Welt. Sie verbleiben für immer in einer Unterwelt der Verletzlichkeit, Wehrlosigkeit, abhängig von uns in allem, was für sie von Belang ist. Wir haben sie dazu gezüchtet, gefügig und unterwürfig zu sein oder Eigenschaften zu haben, die für sie sogar schädlich, für uns aber angenehm sind. Wir können sie in einem gewissen Sinne glücklich machen, aber das Verhältnis kann niemals ''natürlich'' oder ''normal'' sein. Sie gehören nicht in unsere Welt gebannt, gleichviel, wie gut wir sie behandeln.

Dies trifft mehr oder weniger auf alle domestizierten Tiere zu. Sie sind dauernd von uns abhängig. Wir kontrollieren für immer ihr Leben. Sie sind wahrhaftig ''Tiersklaven''. Wir mögen wohlwollende Herren sein, aber wir sind wirklich nichts anderes. Und das kann nicht richtig sein.

Meine Partnerin und ich leben mit fünf [vor dem Einschläfern] geretteten Hunden. Alle fünft wären tot, hätten wir sie nicht adoptiert. Wir lieben sie sehr und bemühen uns sehr, bestmöglich für sie zu sorgen. (Und bevor jemand fragt, wir sieben sind alle Veganer!). Sie würden wahrscheinlich keine zwei Menschen auf dem Planeten finden, die das Zusammenleben mit Hunden mehr genießen als wir es tun.

Aber wenn zwei Hunde im Universum übrig wären, und es wäre an uns, zu entscheiden, ob sie sich vermehren dürfen, damit wir fortfahren könnten, mit Hunden zusammenzuleben, und selbst wenn wir garantieren könnten, dass alle Hunde ein ebenso liebevolles Zuhause wie bei uns haben, wir würden nicht einen Moment zögern, die ganze Einrichtung des Eigentums an ''Heimtieren'' zu einem Ende zu bringen. Wir betrachten die Hunde, die bei uns leben, als eine Art Flüchtlinge, und obwohl wir es genießen, für sie zu sorgen, ist es klar, dass Menschen kein Recht haben, fortzufahren, diese Wesen in eine Welt zu setzen, in die sie einfach nicht hineinpassen.

Einige Anwälte der Tiere denken, dass ''Tierrechte'' bedeuten, dass Tiere eine Art Recht hätten, sich zu vermehren, weshalb es falsch sei, sie zu sterilisieren. Wenn diese Ansicht zuträfe, dann wären wir moralisch verpflichtet, zuzulassen, dass alle domestizierten Arten fortfahren, sich unendlich fortzupflanzen. Wir könnten dieses ''Recht auf Fortpflanzung'' nicht auf Hunde und Katzen beschränken. Überdies macht es keinen Sinn zu sagen, dass wir unmoralisch gehandelt haben darin, nichtmenschliche Tiere zu domestizieren, dass wir jetzt aber verpflichtet sind, zuzulassen, dass sie sich weiterhin vermehren. Wir haben einen moralischen Fehler gemacht, überhaupt erst anzufangen, Tiere zu domestizieren; was macht es dann für welchen Sinn, diesen Fehler zu verewigen?

Ich kann, kurz gesagt, verstehen, dass Tierschützer, für die die Behandlung von Tieren und nicht ihre Nutzung das moralische Hauptproblem darstellt, denken, dass Domestizierung und fortgesetzte Nutzung von Tieren vertretbar sind, solange wir Tiere ''human'' behandeln. Aber warum jemand, der sich selbst als Abolitionist betrachtet, denkt, dass die fortgesetzte Domestikation irgendwelcher Tiere gerechtfertigt werden könnte, vorausgesetzt
wir behandelten sie gut, kann ich nicht verstehen, ebenso wie ich nicht verstehen kann, wie jemand, der sich selbst als Abolitionist betrachtet, irgend etwas anderes als Veganer sein kann.

Mit dem Untertitel meines Buches –Ihr Kind oder der Hund? (Your Child or the Dog) –, der Vorstellung von einem Kind und einem Hund in einem brennenden Haus (oder in einem Rettungsboot oder was immer) ist beabsichtigt, unsere Aufmerksamkeit auf die Tatsache zu lenken, dass wir moralische Konflikte zwischen Menschen und Tieren aufzulösen suchen. Aber wir kreieren diese Konflikte dadurch, dass wir den Hund gewissermaßen in das brennende Haus zerren, indem wir ihn als eine für uns zu nutzende Ressource in die Welt setzen. Und dann fragen wir uns, wie wir den von uns geschaffenen Konflikt auflösen können! Das macht keinen Sinn. .

Wenn wir Tiere ernst nähmen, würden wir aufhören, sie als unsere Ressourcen, als unser Eigentum zu behandeln. Aber das würde bedeuten, aufzuhören, Tiere in die Welt zu setzen, um sie als Nahrungsmittel, Kleidung, für Experimente oder zu irgendeinen anderen Zweck zu gebrauchen, einschließlich zu dem Zweck, Gefährten für uns zu sein.

Gary L. Francione
© 2007 Gary L. Francione