von Gary L. Francione Blog
Viele Befürworter des Tierschutzes behaupten, dass die Rechtsposition, welche die Abschaffung der Tiernutzung anstrebt, nicht praktikabel ist, weil sie schrittweisen Wandel ablehne und keine Wegweisung dafür biete, was wir jetzt – heute – können, um Tieren zu helfen. Diese Kritiker der abolitionistischen Position argumentieren, dass wir keine andere Wahl haben, als die weitere Regulierung des Tierschutzes zu verfolgen – weitere Bestrebungen, Tierausbeutung ''humaner'' zu machen –, wenn wir etwas ''Praktisches'' tun wollen, um Tieren zu helfen.
Die Vorstellung, dass Tierschutzbestimmungen den Interessen von Tieren einen bedeutsamen Schutz bieten, könnte nicht falscher sein. Wie ich in meinen Schriften erörtert habe, sind Tiere Eigentum; deshalb sind sie nur Wirtschaftsgüter / Waren mit keinem anderen als äußeren oder bedingten Wert. Ihre Interessen haben keinen Eigenwert. Infolge dessen werden Normen, die eine ''humane''' Behandlung verlangen, in einem wirtschaftlichen Sinn interpretiert und begrenzen den Schutz auf das, was Menschen einen wirtschaftlichen Nutzen liefert. Vorgebliche Verbesserungen im Tierschutz leisen sehr wenig, wenn überhaupt etwas, um den Schutz tierlicher Interessen zu erhöhen; zum größten Teil leisten sie nicht mehr, als Tierausbeutung wirtschaftlich effizienter und sozial akzeptabler zu machen. Darüber hinaus gibt es historisch keinen Beleg dafür, dass die Regulierung des Tierschutzes zur Abschaffung der Tierausbeutung führt.
Die Tierschützer liegen ebenso falsch, wenn sie behaupten, dass die Rechtsposition keine praktischen Schritte anbietet, die wir auf dem Weg zur Abschaffung der Tierausbeutung machen können. Es gibt einen klaren Wegweiser für schrittweisen Wandel: Veganismus.
Veganismus ist nicht lediglich eine Sache der Ernährung, sondern die moralische und politische Verpflichtung zur Abschaffung der Tierausbeutung auf der Ebene des Einzelnen und erstreckt sich nicht nur auf Ernährung, sondern auf Kleidung, andere Produkte und andere persönliche Wahlentscheidungen und Handlungen. Vegan leben ist das Eine, das wir alle heute tun können – in diesem Augenblick –, um Tieren zu helfen. Es erfordert keine teure Kampagne, keine Beteiligung einer großen Organisation, keine Gesetzgebung oder irgendetwas anderes als unsere Anerkennung, dass wenn ''Tierrechte'' irgendetwas bedeutet, dann dies, dass wir das Konsumieren von Fleisch, Fisch, Milch, Eiern oder das Gebrauchen anderer Tierprodukte nicht rechtfertigen können.
Veganismus vermindert Tierleid durch das Senken der Nachfrage [nach Tierprodukten]. Er stellt eine Ablehnung des Warenstatus von Tieren und die Anerkennung des ihnen innewohnenden Wertes dar. Veganismus ist auch eine Verpflichtung zur Gewaltlosigkeit, und die Tierrechtsbewegung sollte eine Bewegung des Friedens sein und Gewalt gegen alle Tiere – nichtmenschliche und menschliche – ablehnen.
Viele Anwälte der Tiere behaupten, Tierrechte zu befürworten, fahren aber fort, Tierprodukte zu konsumieren. Tatsächlich sind viele ''Führer''' der Bewegung für Tiere keine Veganer. Damit unterscheiden sie sich nicht von jemandem, der behauptet, für die Abschaffung der Sklaverei zu sein, aber weiterhin selber Sklaven besitzt.
Es gibt keinen wesentlichen Unterschied zwischen dem Essen von Fleisch und dem Konsumieren von Milch oder anderer Tierprodukte. In der Milch- und Eierindustrie ausgebeutete Tiere leben länger als die ihres Fleisches wegen genutzte, aber sie werden schlechter behandelt und enden im selben Schlachthaus, wonach wir ihr Fleisch sowieso konsumieren. Wahrscheinlich steckt mehr Leiden in einem Glas Milch oder in einer Eiswaffel, als in einem Steak. Und jeder, der denkt, ein Ei – selbst ein sogenanntes ''Freilandei'' – sei irgendwie weniger das Produkt entsetzlichen Leidens als Fleisch, weiß nicht viel über die Eierindustrie.
Wenn jemand aufhört, Fleisch zu essen, aber in Folge dessen mehr Milchprodukte oder Eier isst (wie es viele ''Vegetarier'' tun), kann dies das Leiden tatsächlich erhöhen. In jedem Fall ist die Behauptung, es gebe einen moralischen Unterschied zwischen Fleischessen und dem Essen von Milchprodukten oder Eiern oder dem Konsumieren anderer Tierprodukte ebenso unsinnig wie zu behaupten, es gebe einen moralischen Unterschied zwischen dem Essen großer Kühe und dem Essen kleiner Kühe.
Anstatt Veganimus als eine klare moralische Grundlinie zu bejahen, hat die Bewegung der Anwaltschaft für Tiere die Vorstellung übernommen, dass wir ethisch handeln und weiterhin Tierprodukte konsumieren können. Nehmen wir folgendes Beispiel (von dem es viele gibt ):
* Peter Singer behauptet, dass wir ''Allesesser mit gutem Gewissen'' sein und Tiere in ethischer Weise ausbeuten können, wenn wir uns zum Beispiel entscheiden, ''Freiland''-Tiere zu essen, die relativ ''human'' aufgezogen und getötet worden sind.(The Way We Eat: Why Our Food Choices Matter, S. 81-169); Singer lobt Händler ''human'' ausgebeuteter Tiere, wie Whole Foods Markets, Inc. und den Geschäftsführer der Firma, John Mackey, als ''ethisch verantwortungsbewusst'' (S. 177-183) und beschreibt strikten Veganismus als ''fanatisch'''. ( S. 281)
* Tom Regan präsentierte Mackey als Hauptredner einer 2005 stattgefundenen Konferenz mit dem Titel: Die Macht des Einzelnen, die sich um die Fähigkeit von Einzelnen drehte, etwas Bedeutendes für Tiere zu bewirken. Regan feierte Mackey und Whole Foods als ''eine treibende Kraft hinter höheren Tierschutzstandards''.
* PETA verlieh Whole Foods im Jahr 2004 einen Preis mit der Behauptung, das Unternehmen habe ''beständig mehr für den Tierschutz getan als jeder andere Einzelhändler in der Industrie, indem es von seinen Lieferanten verlangt, strikte Normen zu befolgen.'' Im selben Jahr verlieh PETA auch einen Preis an Schlachthausdesignerin Temple Grandin, die der Verein – meiner Ansicht nach ziemlich merkwürdigerweise – zur ''Visionärin'' erklärte.
* Humane Farm Animal Care [Fürsorge für Nutztiere] fördert, zusammen mit den Partnern des Vereins, der Humane Society of the United States [Tierschutzverein der Vereinigten Staaten], der American Society for the Prevention of Cruelty to Animals [Amerikanische Gesellschaft für die Verhütung von Tierquälerei/ Tierschutzverein ], der World Society for the Protection of Animals [Weltgeseellschaft für Tierschutz], Animal People [etwa: Menschen für Tiere] und anderen, das Certified-Humane-Raised-&-Handled-Label [Zertifiziert human aufgezogen und behandelt], das es als ''Zertifizierungs- und Etikettierungsprogramm für Konsumenten'' beschreibt, das den Zweck hat, Konsumenten die Sicherheit zu geben, dass ''das etikettierte Ei, Milch-, Fleisch- oder Geflügelprodukt mit dem Wohlergehen des Tieres im Sinn produziert worden ist''.
Es ist allgemein natürlich immer besser, jemandem weniger Schaden als mehr Schaden zuzufügen, wenn man sich einmal entschieden hat, jemandem überhaupt Schaden zuzufügen. Wenn wir ein Tier essen, das gequält worden ist, ist es, vermute ich, ''besser'', das Tier zu essen, das weniger gequält worden ist. Aber abgesehen von der Frage, ob ''human'' aufgezogene Tiere wirklich weniger als andere gequält werden, gibt es einen großen Unterschied zwischen der Position, dass weniger Leiden besser als mehr Leiden ist, und der Position, dass weniger Leiden zu verursachen eine Handlung moralisch akzeptabel macht. Die Vorstellung, dass die Bewegung für Tiere aktiv und ausdrücklich die letztere Position fördert – dass weniger Schaden anzurichten eine akzeptable Lösung des Problems der Tierausbeutung ist –, ist zutiefst beunruhigend.
Wenn eine Person X eine andere Person Y vergewaltigt, ist es ''besser'', dass sie sie nicht noch zusätzlich schlägt. Allerdings wäre es moralisch abstoßend zu behaupten, dass wir ''pflichtbewusste Vergewaltiger'' sein können, indem wir sicherstellen, dass Vergewaltigungsopfer nicht geschlagen werden. Es ist gleichermaßen verstörend, dass Anwälte der Tiere die Vorstellung fördern, dass wir moralisch ''pflichtbewusste Allesesser'' sein können, wenn wir die vermeintlich ''human'' produzierten Tierprodukte essen, die von ''ethisch verantwortlichen'' Lieferanten von Leiden und Tod verkauft werden. Nicht nur ist eine solche Position in Konflikt mit der Vorstellung, dass Tiere moralische Bedeutung haben, sondern sie ermutigt Menschen nachhaltig dazu, das fortgesetzte Konsumieren [von Tierprodukten] als eine moralisch vertretbare Alternative zu einer veganen Lebensweise anzusehen.
Darüber hinaus porträtieren viele Tierschutzorganisationen Veganismus als eine schwierige Lebensweise, die ein erhebliches Maß an Selbstaufopferung erfordert und nur etwas für den ''Hardcore''-Typ des Anwalts der Tiere ist. Ich wurde vor 24 Jahren Veganer. Es war damals nicht besonders schwierig, aber es ist völlig absurd, es heute als schwierig zu kennzeichnen. Veganer zu sein ist leicht. Gewiss, Sie sind eingeschränkter in der Wahl von Restaurants, insbesondere wenn Sie nicht in oder nahe einer großen Stadt leben, aber wenn diese Unbequemlichkeit für Sie von Belang ist und Sie davon abhält, vegan zu leben, dann war es Ihnen wahrscheinlich ohnehin nicht allzu ernst damit.
Die Bewegung für Tiere wird niemals auch nur eine Hoffnung haben das Paradigma speziesistischer Hierarchie zu verändern, solange als Grundprinzip nicht absolut klar ist, dass es moralisch falsch ist, Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Eier oder andere aus Tieren gemachte Produkte zu konsumieren.
Wenn in den späten 1980ern – als die Community der Anwaltschaft für Tiere in den Vereinigten Staaten sich sehr bewusst dafür entschied, einen Tierschutzagenda zu verfolgen – ein erheblicher Teil der Ressourcen der Bewegung in abolitionistische Aufklärungsarbeit investiert worden wäre, gäbe es heute wahrscheinlich Hunderttausende Veganer mehr. Das ist eine sehr konservative Schätzung angesichts der Hunderte Millionen Dollar, die von Tieranwaltschaftsgruppen dafür ausgegeben wurden, Tierschutzgesetzgebung und --initiativen zu fördern. Ich behaupte, dass die Erhöhung der Zahl von Veganern durch das Sinken der Nachfrage nach Tierprodukten Tierleid stärker vermindern würde, als es alle ''Erfolge'' des Tierschutzes zusammengenommen mal 10 getan haben. Die Zahl von Veganern zu erhöhen würde außerdem helfen, eine politische und ökonomische Basis zu bilden, deren der soziale Wandel bedarf, der die notwendige Bedingung eines bedeutsamen gesetzlichen Wandels ist.
Angesichts begrenzter Zeit und Ressourcen ist es nicht klar, wie jemand, der die Abschaffung der Tierausbeutung als langfristiges Ziel anstrebt oder zumindest akzeptiert, dass der Eigentumsstatus von Tieren das ernsteste Hindernis eines bedeutsamen Wandels ist und radikal geändert werden muss, glauben kann, dass die Ausdehnung traditionellen Tierschutzes eine rationale und effektive Wahl ist – jedwede Überlegungen zu Ungereimtheiten in der Moraltheorie einmal beiseite lassend.
Angenommen, Sie haben morgen zwei Stunden Zeit für das Eintreten für Tiere zur Verfügung. Sie können nicht alles tun: Sie müssen wählen. Es gibt in meinen Augen nicht den allergeringsten Zweifel, dass zwei Stunden, die Sie darauf verwenden, Literatur über Veganismus auszugeben, in mehr als einer Hinsicht ein viel besserer Gebrauch Ihrer Zeit ist als wenn Sie sich zwei Stunden lang für größere Käfige oder ''humanere'' Formen der Tiersklaverei einsetzen.
Mit einem Wort, ebenso wie jemand, der sagt, Menschensklaverei sei falsch, aber fortfährt, selber Sklaven zu besitzen, nicht wirklich ein 'Abolitionist mit Bezug auf Menschensklaverei ist, ist jemand, der sagt, Tiersklaverei sei falsch, aber nicht Veganismus als Lebensweise bejaht, nicht wirklich ein Abolitionist mit Bezug auf Tiersklaverei. Lassen Sie uns, die den abolitionistischen Ansatz akzeptieren, klar und unzweideutig sein und für Veganismus in unseren Worten und in unseren Taten werben.
Gary L. Francione
© 2006 Gary L. Francione