Von Gary L. Francione Blog
Ich gebe zu, ein scharfer und schonungsloser Kritiker des Tierschutzes zu sein. Seit etwa 15 Jahren argumentiere ich, dass, da Tiere Eigentum sind, Tierschutznormen die Interessen von Tieren im Allgemeinen nur in dem Maß schützen, in dem der Schutz die wirtschaftlich effiziente Ausbeutung von Tieren fördert. Tierschutzkampagnen bedeuten größtenteils, dass Anwälte der Tiere institutionalisierte Tierausbeuter davon zu überzeugen suchen, dass eine ''bessere'' Behandlung der Tiere sich in größere Profite umsetzt, und dies bestätigt und verstärkt den Status von Tieren als Ware mit nicht mehr als äußerem oder bedingtem Wert. Überdies ist Tierschutz kontraproduktiv, weil er die Öffentlichkeit dazu verleitet zu denken, dass Ausbeutung ''humaner'' gemacht wird, und dies ermutigt die fortgesetzte Nutzung von Tieren in vielfacher Weise.
Ich werde oft von Befürwortern des Tierschutzes dafür kritisiert, in meiner Einschätzung von Tierschutzreformen zu negativ zu sein. Dieser Essay ist der erste in einer losen Reihe, die einzelne Tierscutzkampagnen untersuchen wird, um zu sehen, ob meine Analyse gerecht ist.
Im Jahr 2002 waren Anwälte der Tiere, geführt von The Humane Society of the United States (HSUS), Farm Sanctuary und anderen darin erfolgreich, nahezu 700.000 Unterschriften dafür zu erhalten, in Florida einen Antrag auf Änderung der Verfassung zur Abstimmung zu bringen, die verbietet, was als ''Kastenstand'' für schwangere Sauen bekannt ist. Die Wähler billigten den Antrag, und die Verfassung von Florida macht es ab 2008 zum Vergehen, ein schwangeres Schwein in ''ein Gehege'' zu sperren oder ''in einer solchen Weise [anzubinden], dass es daran gehindert ist, sich unbehindert herumzudrehen.''
Peter Singer behauptet, dass die Neufassung ein ''Triumph'' (New York Review of Books, 15. Mai 2003, S. 26) ist und ''ganz oben'' auf der Liste der bedeutendsten Siege des Tierschutzes der vergangenen 30 Jahren steht.
Die Charakterisierung der Verfassungsänderung in Florida als ''Triumph'' demonstriert aus mindestens sechs Gründen, dass die Messlatte des Fortschritts lächerlich niedrig gehängt ist, wenn es um Verbesserungen im Tierschutz geht.
Erstens: Die Kampagne gegen Kastenstände, die in Florida begann, aber jetzt in anderen Bundesstaaten weitergeführt wird und sich kürzlich in Arizona durchgesetzt hat, gründet sich ausdrücklich darauf, Tierausbeutung effizienter zu machen. Anwälte der Tiere propagierten die Neufassung als Weg, größere Schweinezuchtbetriebe mit Massentierhaltung von Florida fernzuhalten und dadurch Eigentumswerte und Tourismus zu schützen. Sie machen allgemein geltend, dass Alternativen zum Kastenstand wie etwa Gruppenhaltung die Kosten reduzieren und die Produktivität steigern.
Zum Beispiel streben HSUS und Farm Sanctuary ein Verbot des Kastenstandes zugunsten von Alternativen wie Gruppenhalungssystemen an, bei denen elektronische Fütterung der Sauen (elecronic sow feeding: ESF) eingesetzt wird, das die Aggressivität während der Fütterungszeit verringert. Der HSUS-Bericht über Kastenstände behauptet, dass europäische Studien angeben, dass die ''Produktivität der Sauen in Gruppenhaltung höher als in einzelnen Boxen ist als Folge reduzierter Verletzungs- und Krankheitsraten, einer früheren ersten Brunst, schnelleren Wiederkehr der Brunst nach dem Abferkeln, sinkenden Vorkommens von Totgeburten und kürzeren Wurfzeiten. ESF einsetzende Gruppensysteme sind besonders rentabel.'' Zusätzlich ''reduziert die Umstellung von Kastenständen'' auf Gruppenhaltung mit ESF geringfügig die Produktionskosten und steigert die Produktivität.'' HSUS zitiert eine Studie, die zeigt, dass ''die Gesamtkosten pro verkauftem Ferkel in ESF-Gruppensystemen um 0,6 Prozent niedriger sind, während das Einkommen des Landwirts wegen der gestiegenen Produktivität 6 Prozent höher ist'', sowie eine andere Studie, die zeigt, dass, ''verglichen mit Kastenständen, Gruppenhaltung mit ESF die Arbeitszeit um 3 Prozent verringert und das Einkommen pro Sau und Jahr geringfügig erhöht.''
HSUS macht geltend, dass ''Einsparungen im Sauenzuchtbetrieb an den Mastbetrieb weitergegeben werden können, wo die Kosten pro Gewichtseinheit um 0.3 Prozent sinken.'' Dies führt zu einer Senkung des Ladenpreises von Schweinefleisch und einer kleinen Steigerung der Nachfrage. HSUS schlussfolgert, dass ''Produzenten, die Gruppenhaltung mit ESF übernehmen, die Nachfrage nach ihren Produkten steigern oder einen Spitzenpreis erzielen könnten.'' HSUS behauptet, dass trotz der größeren Effizienz von alternativen Produktionssystemen Schweineproduzenten in den USA aufgrund von ''Trägheit und mangelnder Vertrautheit mit EFS'' nur langsam solche wirtschaftlich wünschenswerteren Systeme übernehmen.
Indem dieser Ansatz ausdrücklich ''bessere'' Behandlung mit profitablerer Ausbeutung verknüpft, bestätigt und verstärkt er den Status von Tieren als Waren. Anwälte der Tiere handeln praktisch als Berater der Tierausbeuter, indem sie ihnen dabei behilflich sind, herauszufinden, wie sie aus der Ausbeutung von Tieren größeren Profit schlagen können, während sie bestenfalls unerhebliche Änderungen machen, die gegenüber der Öffentlichkeit – sowohl von den Anwälten der Tiere als auch den Tierausbeutern – fälschlich als Sieg für die Tiere dargestellt werden.
Zweitens: Es gab nur zwei Schweinezüchter im Bundesstaat Florida, die von der Verfassungsänderung betroffen waren, und sie hatte fast keine Gegner, weil in Florida vom Kastenstand kein erheblicher Gebrauch gemacht wurde. Beide Züchter schickten ihre Tiere zum Schlachthaus, schlossen ihre Betriebe und hatten Anspruch auf staatliche Unterstützung von bis zu $ 275.000. Auf der anderen Seite gaben Anwälte der Tiere annähernd $ 1, 6 Millionen für die Kampagne aus.
Drittens: Die Änderung definiert ''Gehege'' als ''Käfig, Kasten oder andere Einschließung, in der ein Schwein den größten Teil des Tages über gehalten wird'', und dies würde vermutlich bedeuten, dass der Gebrauch eines Kastenstandes für weniger als ''den größten Teil des Tages' nicht verboten wäre. Dies ist von Belang, weil einige Produzenten sich in Richtung eines modifizierten Systems bewegen, in dem schwangere Sauen für einen Teil des Tages eingesperrt sind.
Viertens: Die Änderung erlaubt ausdrücklich den Gebrauch von Kastenständen für die ''Vorgeburtsphase'', die als ''dem erwarteten Datum des Abferkelns vorausgehende Sieben-Tage-Zeitspanne'' definiert ist, und für ''tierärztliche Zwecke'' über einen Zeitraum von ''nicht länger als vernünftigerweise notwendig''. Diese vage Norm für das Einsperren ist, ebenso wie das Verbot der Zufügung ''unnötigen Leidens'' in Tierschutzgesetzen, eine Einladung, relevante tierliche Interessen zu ignorieren, wenn dies als vorteilhaft für Menschen wahrgenommen wird.
Fünftens: Während Anwälte der Tiere suggerierten, dass die Änderung wahrscheinlich dazu führen würde, dass alle betreffenden Schweine in Gruppenhaltungssystemen aufgezogen werden, schreibt die Neufassung lediglich vor, dass das Schwein in der Lage sein muss, sich umzudrehen, ''ohne eine Seite seines Verschlags berühren zu müssen'', und nicht, dass das Schwein in Gruppenunterbringung gehalten werden muss.
Sechstens: Die Änderung diente als ''Aufmacher'' für eine erfolgreiche Kampagne, solche Initiativen in Zukunft zu beschränken. Am 7. Nov. 2003 hat die Bevölkerung von Florida dafür gestimmt, dass zukünftige Änderungen der Verfassung des Bundesstaates eine absolute Mehrheit erfordern.
Betrachten wir es also noch mal im Überblick. Dieser ''Triumph'' des Tierschutzes:
* umfasste einen Aufwand von mehr als 1,5 für Tiere gespendete Millionen Dollar.
* zog zwei relativ kleine Produzenten in Mitleidenschaft;
* stützte sich ausdrücklich auf die Vorstellung, dass Alternativen zum Kastenstand wirtschaftlich vorteilhaft für Produzenten sind;
*erfordert lediglich, dass Schweinen genügend Raum gegeben wird, um in der Lage zu sein, sich umzudrehen, ohne die Wände ihres Verschlages zu berühren, und dieses Erfordernis gilt nur für ''den größten Teil des Tages und gar nicht für die zur Geburt überleitende Zeitspanne oder wenn es ''für tierärztliche Zwecke'' notwendig ist und
* führte zu einer Gegenreaktion, die sich in der Beschränkung zukünftiger Abstimmungsinitiativen auswirkte.
Wenn dies ein ''Triumph'' ist, dann schaudert es einen bei der Vorstellung, wie eine Niederlage aussehen würde.
Gary L. Francione
© 2006 Gary L. Francione