Friday 17 September 2010

Wichtige Bekanntmachung: Kleiner-Fisch-aus-Großzucht-freier Freitag

von Gary L. Francione Blog

Liebe KollegInnen,

der heutige Tag markiert den Beginn einer neuen und wichtigen Kampagne für die Tiere:

Kleiner-Fisch-aus-Großzucht-freier Freitag

Das Ziel der Kampagne ist es, die Menschen dazu zu ermuntern, freitags keinen Fisch aus Massentierhaltung zu essen und statt dessen andere Tierprodukte zu konsumieren, zu dem Zweck, öffentliches Bewusstsein für das Elend kleiner Fische in Massentierhaltung zu wecken.

Warum Fisch?

Obwohl es zutrifft, dass alle Tiere leiden und das Leiden jedes Tieres ihr oder sein Leiden und etwas ist, das er oder sie nicht erleben will, und obwohl wir nicht ohne moralische Fragwürdigkeit das Leiden eines Tieres über das eines anderen stellen können, haben wir uns entschieden, uns nur auf Fische zu konzentrieren und das Nichtessen von Fischen aus Großzuchtanlagen und nicht Veganismus anzuregen.

Unsere Begründung ist einfach: Die Öffentlichkeit ist nicht intelligent genug oder emotional hinreichend darauf vorbereitet, si+ch der Tatsache zu stellen, dass alle empfindungsfähigen Wesen – nun ja.. empfindungsfähig sind. Das heißt, alle empfindungsfähigen Wesen wollen vermöge ihrer Empfindungsfähigkeit Schmerz, Leiden, Elend und andere negative Zustände nicht erfahren. Obwohl also alle empfindungsfähigen Wesen in diesem Sinne moralisch ununterscheidbar sind, haben wir beschlossen, eine zugegebenermaßen unhaltbare Unterscheidung zwischen Fisch und anderen Tieren zu treffen, weil wir die Öffentlichkeit langsam und schrittweise [zu obiger Erkenntnis] hinführen müssen. Die Wahrheit könnte sie schockieren und ihre kognitiven Fähigkeiten übermannen, so dass wir befanden, dass es besser sei, so zu tun, als sei das Essen von Fischen moralisch etwas anderes als das Essen von anderen [Tieren ] oder als die Verwendung von Tierprodukten als Bekleidung oder für andere Zwecke.

Diese wegweisende, sich auf kleine Fische aus Großzuchten konzentrierende Kampagne ist fürwahr eine ''Einstiegskampagne'', Teil einer Gesamtstrategie, darauf angelegt, eines Tages für Veganismus als moralischer Grundlinie zu werben. Basierend auf den gegebenen Umständen, werden wir dies von heute an gerechnet in etwa vierhundert Jahren tun, aber wir werden selbst dann sehr schonend dabei vorgehen müssen. Gegenwärtig planen wir ''Kleiner-Fisch-aus-Großzucht-freier Donnerstag'' irgendwann im Jahr 2020. Eine Revolution beginnt mit dem ersten Schritt.

Die Menschen werden nicht über Nacht zu Veganern, wissen Sie. Und wir tun alles nur Mögliche, um zu verhindern, dass mehr Menschen anfangen, vegan zu leben, indem wir Veganismus fortwährend als schwierig darstellen und sorgfältig darauf achten, für ihn nicht als Prinzip einer moralischen Grundlinie Werbung zu machen. Wir müssen praktisch denken, nicht bloß ideologisch.

Wir müssen bedenken, dass viele von uns jahrelang nicht vegan lebten, weil Tierschutzgruppen, in denen wir uns engagierten, uns erzählten, dass verschiedene Tierprodukte zu essen moralisch vertretbar sei. Es ist wichtig, dass Fehler immer aufs Neue wiederholt werden, sonst wären alle unsere Fehler umsonst gemacht. Anstatt zuzugeben, dass es keinen schlüssigen moralischen Unterschied zwischen Fleisch und Milch oder anderen Tierprodukten gibt, müssen wir weiterhin das Hirngespinst aufrecht erhalten, dass Vegetarismus eine moralisch vertretbare Position ist. Es wäre falsch, die Position zu befördern, dass alle Nutzung von Tieren nicht zu rechtfertigen und Veganismus die moralische Grundlinie ist, und dadurch den Menschen etwas Anzustrebendes vorzugeben, unabhängig davon, wo sie zu einem bestimmten Zeitpunkt stehen und ob sie bereit sind, ab sofort vegan zu leben, oder nicht. Stattdessen müssen wir sagen, dass Veganismus unterschreitende Normen völlig in Ordnung sind, um die Menschen sich gut fühlen zu lassen. Wir müssen unseren Stempel der Billigung auf das Konsumieren diverser Tierprodukte drücken.

Obwohl wir Angelegenheiten grundlegender Menschenrechte als Fragen behandeln, die eine moralisch richtige und falsche Antwort haben (niemand sagt jemals, dass der moralische Status von Sklaverei, Vergewaltigung, Kindesmissbrauch Meinungssache sei), müssen wir stets vorgeben, dass es sich bei Fragen der Tierethik schlicht um eine Sache der Wahl des Lifestyles oder der Vorliebe oder um reine Ansichtssache handele, moralisch nicht erheblicher als die Frage, wohin man in Urlaub fährt oder welche Art Musik man mag. Wir müssen ''Flexitarismus'' bejahen, sonst erscheinen wir zu rigide und riskieren, dass die Leute denken, wir seien ''fanatisch''. Es ist wichtig, Veganismus niemals als moralische Grundlinie darzustellen, als das, wozu wir Tieren gegenüber moralisch verpflichtet sind; es ist wichtig, niemals ehrlich zu sein und von vornherein zu sagen, dass wir das Konsumieren keines Tierproduktes rechtfertigen können. Menschen verdienen Gerechtigkeit, Tiere nur Barmherzigkeit oder Mitgefühl.

Warum kleiner Fisch?


Gute Frage! Wir haben uns für kleine Fische entschieden, weil die meisten Menschen Fische nicht niedlich finden und wir dachten, dass sie kleine Fische vielleicht niedlicher als große finden. Und als Anwälte der Tiere sind wir uns des alten Sprichworts ''Niedlich verkauft sich'' wohlbewusst. Wenn man darüber nachdenkt, die meisten Einzelthema-Kampagnen konzentrieren sich auf Tiere, die wir Menschen anziehend finden, ob Babyrobben oder Elefanten, Delfine, Welpen, Kälber, Wölfe usw. Wir haben nicht einmal Tierschutzkampagnen, die sich um Schweine drehen, anlaufen lassen, bevor [Schweinchen] Babe herauskam und Schweine und anderen Nutztiere mit Niedlichkeit punkteten.

Obgleich es keinen moralisch erheblichen Unterschied zwischen einem großen Fisch und einem kleinen Fisch gibt (oder zwischen einem Fisch und einer Kuh usw.), haben wir nach reiflicher Überlegung befunden, dass die Öffentlichkeit einfach noch nicht reif für die Vorstellung ist, dass wir überhaupt keinen Fisch essen sollten (oder irgendwelche Tierprodukte), also haben wir uns dafür entschieden, die Sache schonend anzugehen und die Aufmerksamkeit der Leute nur auf kleine, niedliche Fische zu lenken. Und nach Finding Nemo [Findet Nemo] finden mehr Menschen kleine Fische niedlich. Wir müssen die Menschen da abholen, wo sie stehen.

Bedenken Sie, wir müssen dies Schritt für Schritt tun. Veganismus ist extrem schwierig. Die großen Tierschutzgruppen sagen es wieder und wieder, also muss es wahr sein, und wir sollten nicht widersprechen. Wie könnten wir nur denken, dass die Menschen alle die herrlichen veganen Speisen, die derzeit erhältlich sind, absolut lecker finden? Wie könnten wir erwarten, dass sie Moral ernst nehmen?

Warum kleiner Fisch aus Großzucht?


Das ist leicht erklärt. Es hat drei Gründe:

Erstens hat Peter Singer, der Vater der Bewegung, klargestellt, dass Tiere kognitiv nicht so komplex wie wir Menschen sind und infolgedessen kein Interesse am Weiterleben haben. Tiere verstehen nicht, dass sie ein Leben zu haben, und ihr Leben spielt moralisch eine geringere Rolle. Es kümmert sie nicht, dass wir sie nutzen und essen; es kümmert sie lediglich, wie wir sie nutzen. Für sie spielt es eine Rolle, nicht zu sehr zu leiden und relativ schmerzlos getötet zu werden, nicht aber, am Leben zu bleiben.

Nun stehen laut Tierschützern Fische ziemlich weit unten auf der Skala geistiger Fähigkeiten und bekommen folglich nicht viele Punkte auf der ''Wie-nahe-ist-ihr-Selbst-Bewusstsein-dem-eines-normalen-menschlichen-Erwachsenen''-Skala. Demnach ist das Problem an sich nicht, sie zu essen; das Problem ist, ihnen Leiden zu verursachen. Wir können uns den ''Luxus'', Fisch zu essen, leisten, wenn die Fische ''human''gezüchtet und getötet wurden.

Zweitens sind durch das Konzentrieren auf kleine Fische aus Großzuchten alle möglichen bedeutungslosen ''Siege''garantiert, die Menschen sich beim Konsumieren von kleinem ''Bio-Fisch'' wohler fühlen lassen. Wir bemühen uns, PETA-Preisträgerin Temple Grandin zu überreden, neue Einrichtungen zum Schlachten von Fischen zu konstruieren, und PETA-Preisträger Whole Foods verkauft massenhaft Fischleichen und stellt Hinweisschilder auf, dass sie ''wild gefangen'' wurden. So wendet sich das Blatt bereits für Fische! Schon ein Sieg! Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis all die großen Tierschutzkörperschaften ein ''Toter Bio-Fisch''-Label auf Fischleichen geklatscht haben. Diese Label werden dazu führen, dass mehr Geld in die Taschen jener Körperschaften fließt. Denken Sie nur daran, wie viel ''Bio-Fisch'' leisten wird, den Tieren zu helfen!

Drittens glauben wir, um es zu wiederholen, dass die Öffentlichkeit nicht reif dafür ist, mit der Vorstellung umzugehen, überhaupt keine kleinen Fische zu essen. Wir regen lediglich an, dass sie keinen kleinen Fische aus Großzuchten essen. Der Öffentlichkeit fehlt die Intelligenz, über die wir verfügen. Wir mögen denken, dass die Argumente zugunsten von Veganismus ziemlich einfach zu verstehen sind, aber es lässt sich gar nicht ermessen, was für Schwachköpfe die meisten Menschen sind.

Uns ist bewusst, dass es einige Anwälte der Tiere gibt, die diese Kampagne kritisieren und vorschlagen werden, dass wir die Öffentlichkeit über Veganismus aufklären sollten; dass wir das Leitbild verändern sollten dadurch, die Diskussion weg von der Behandlung [von Tieren] hin zu ihrem Genutztwerden zu bewegen. Diese Kritiker sind schlicht elitäre Spalter, die nicht zur Kenntnis nehmen, wie unglaublich dämlich die Öffentlichkeit ist. Diese Kritiker begreifen nicht, dass begründeter Widerspruch spaltet. Sie begreifen nicht, wie wegweisend diese Kampagne ist. Erst im April dieses Jahres hat HSUS eine Kampagne angekündigt, süße Robben durch das Boykottieren von kanadischen Meeresfrüchten und das Essen von Fischen, die in anderen Ländern gefangen und vermarktet werden, zu retten. Und HSUS hat nicht einmal einen Unterschied zwischen kleinen und großen Fischen gemacht! Unsere Kampagne geht da viel, viel weiter, zumindest freitags. Obschon wir uns nicht dafür aussprechen, alle kanadischen Meeresfrüchte zu boykottieren, treten wir für einen Boykott der kleinen Fische aller Länder an Freitagen ein. Wir fordern HSUS in aller Form dazu auf, ihre Kampagne dahingehend zu ändern, kleine Fische aus Kanada und kleine Fische aus allen anderen Ländern zu boykottieren, aber nur freitags, weil wir nicht zu radikal sein wollen.

Obwohl es wahr ist, dass viele Menschen einfach Steak, Eier und Eis anstelle von Fisch oder vielleicht ''wild gefangenen'' Fisch von einem ''Bio-Fisch''-Händler essen werden, müssen wir jetzt etwas tun, um Tieren zu helfen, und dies ist das Beste, was wir ausknobeln konnten.

Abschließend denken wir, dass diese Kampagne wirklich Anklang finden wird, weil die Leute sehr wenig im Sinne einer tatsächlichen Änderung tun müssen. Wir zeigen ihnen, wie sie ''Anwälte der Tierrechte'' sein können einfach dadurch, kleine Fische aus Großzuchten an Freitagen aufzugeben. Sie werden sich dabei so gut vorkommen, dass sie sich hinsetzen und einen Scheck an eine der großen Tierschutzorganisationen schicken werden. Noch ein Sieg! Und in einem Jahrzehnt bringen wir sie dazu, ihr Bemühen darauf zu richten, an Donnerstagen keine kleinen Fische aus Großzuchten zu essen. Und in einem weiteren Jahrzehnt haben wir sie soweit, mittwochs keinen zu essen. Und so weiter. Und dann werden wir uns auf mittelgroßen Fisch aus Großzucht konzentrieren. Und die Öffentlichkeit wird es niemals voraussehen. Wir sind ja so schlau!

Also, für die Tiere, bitte unterstützen Sie unsere innovative Kampagne, der geistig und emotional minderbemittelten Öffentlichkeit die moralische Wahrheit verstehen zu helfen, die nur eine Handvoll von uns zu verstehen vermag. Ja, wir wissen, dass die wahrhaft Elitären und Spalter unter Ihnen an Veganismus als Prinzip einer moralischen Grundlinie festhalten wollen. Und dazu sagen wir: ''Scheiß aufs Prinzip.''

*****

Ich kann, offen gesagt, das Denken von Menschen nicht verstehen, die für so etwas wie ''Fleischfreier Montag'' eintreten. Solche Kampagnen machen Unterschiede, wo keine sind, ermutigen allgemein dazu, Tierprodukte zu konsumieren und gehen davon aus, dass die Öffentlichkeit unfähig ist, eine simple Idee zu verstehen. Hören Sie einige Gedanken zum Reden mit Nichtveganern über Veganismus in meinen kürzlichen Kommentar zu diesem Thema.

Anwälte der Tiere, die Tierausbeutung insgesamt wirklich ablehnen, sollten nicht Vegetarismus (oder irgendetwas, das weniger als Veganismus ist) als Sprungbrett zum Veganismus anregen. Erstens kennen wir alle viele Menschen, die seit Jahrzehnten Vegetarier sind und niemals Veganer geworden sind, daher ist es empirisch keinesfalls klar, dass Vegetarismus irgendeine Art Übergangsstadium ist. Zweitens tendieren Vegetarier dazu, mehr Milchprodukte und Eier zu konsumieren [mehr, als sie konsumierten, bevor sie auf Fleisch verzichteten]. Diese anderen Tierprodukte verursachen ebenso viel, wenn nicht mehr Tierleid und Tod. Demnach ist hinsichtlich des Ausmaßes von Tierleid eine vegetarische Ernährungsweise mit viel Mich, Eiern usw. möglicherweise nicht besser.

Das Argument, dass die Öffentlichkeit Veganismus schwierig findet, ist eine selbsterfüllende Prophezeiung: die großen Tierschutzorganisationen sind hier die Hauptschuldigen, indem sie die Vorstellung, Veganismus erfordere heroische Opferbereitschaft und Willenskraft, permanent bekräftigen. Aber selbst wenn die Öffentlichkeit Veganismus schwierig findet, heißt das nicht, dass sich unsere Botschaft ändern sollte. Wir leben in einer Welt, in der es immer noch viel Rassismus gibt; Menschen finden es schwierig, aufzuhören, Entscheidungen darüber, wer in die moralische Gemeinschaft einzuschließen ist, auf der Basis der Hautfarbe zu treffen. Bedeutet dies, dass wir aufhören sollten, die Botschaft zu befördern, dass aller Rassismus moralisch nicht zu rechtfertigen ist? Natürlich nicht.

Wir sollten es stets glasklar machen: Wir können den Konsum oder Gebrauch jedweder Tierprodukte nicht rechtfertigen. Wenn jemand entscheidet, nicht den ganzen Weg zu gehen oder zumindest am Anfang nicht, lassen Sie dies seine oder ihre Wahl sein und nicht das Resultat eines von uns auf irgendetwas, das nicht Veganismus ist, gedrückten Stempels der Billigung. Wir würden dies niemals in Fragen grundlegender Menschenrechte tun; die Tatsache, dass wir es im Zusammenhang mit Tieren tun, ist nichts anderes als Speziesismus.

Für eine weiterführende Diskussion der hier erörterten Probleme siehe diese Essays 1, 2, 3 und meinen Kommentar zum Vegetarismus als vermeintlichen ''Einstieg'' in den Veganismus.

Der Kampf für Tierrechte ist nicht nur eine Sache des Mitgefühls. Gewiss, wir müssen mit dem nichtmenschlichen Anderen mitfühlen. Aber Tierrechte sind viel mehr als das: sie bedeuten die Position, dass wir die Ausbeutung von Tieren nicht rechtfertigen können, wie ''human'' auch immer die Ausbeutung sein mag. Tierrechte sind im Kern eine Sache von Gerechtigkeit.

Machen Sie also jeden Tag zum ''Tierprodukte-freier Tag''. Leben Sie vegan. Es ist besser für Ihre Gesundheit und für den Planeten. Aber was das Wichtigste ist, es ist das moralisch Richtige und Gerechte.

Gary L. Francione
© 2010 Gary L. Francione