Sunday, 19 September 2010

Eine verpasste Gelegenheit

von Gary L. Francione Blog

Liebe KollegInnen,

Es macht mich immer traurig, wenn eine [Tiere betreffende] Streitfrage in den Nachrichten kommt und Anwälte der Tiere die Chance verpassen, die Öffentlichkeit über Veganismus aufzuklären, weil sie stattdessen lieber auf den Zug des Neuen Tierschutzes aufspringen und den Menschen ein besseres Gewissen bei der Ausbeutung von Tieren geben.

Die britische Zeitung The Mail on Sunday brachte heute eine Story, in der sie berichtete, dass ein großer Teil des in Großbritannien servierten Fleisches halal ist – das Tier wurde dem islamischen Gesetz gemäß geschlachtet. Halal ist das Gleiche wie das jüdische Schlachtritual Kaschnut [jüdische Speisegesetze] und bedeutet, dass ein tiefer Schnitt in den Hals des Tieres gemacht wird, der die Halsschlagader auf beiden Seiten durchtrennt, aber das Rückenmark intakt lässt [Schächten]. So geschlachtete Tiere werden nicht betäubt, und Halal- und Koscher-Schlachtung wird als grausamer kritisiert, als eine, die mehr Schmerzen und Leiden verursacht, als die Schlachtmethode mit Betäubung, die das Tier bewusstlos machen soll, bevor die eigentliche Tötung erfolgt.

Viele Menschen in Großbritannien sind aufgebracht ob des Gedankens, dass das Fleisch, das sie essen, von Tieren stammt, die nicht ''human'' getötet wurden.

Ich würde behaupten, dass kein Tier, von irgendjemandem in Großbritannien oder irgendwo sonst auf der Welt konsumiert, in einer Weise behandelt und getötet worden ist, die ''human'' genannt werden könnte, ohne das Wort in obszön missbräuchlicher Weise zu verwenden.

Die Story lieferte Anwälten der Tiere also die Gelegenheit, der besorgten Öffentlichkeit zu erklären, dass es so etwas wie ''human'' produziertes Fleisch nicht gibt, dass alles Fleisch – und alle Tierprodukte – von Tieren stammen, die selbst unter den besten Bedingungen gequält worden sind. Und wir können das Töten von Tieren unter keinen Umständen rechtfertigen, wenn die einzige Rechtfertigung, die wir haben, ist, dass sie gut schmecken.

Haben die Anwälte der Tiere von dieser Gelegenheit Gebrauch gemacht?

Mitnichten.

Stattdessen beschrieben sie das Problem als eines, bei dem es um eine Prakitk einer bestimmten Religion geht. Zum Beispiel wird VIVA! in dem Artikel wie folgt zitiert:
Andere Praktiken, die aus religiösen Gründen ausgeübt werden mögen, wie Polygamie oder das Steinigen von Ehebrecherinnen, sind im Vereinigten Königreich nicht erlaubt.

Die Freiheit der Religion hat keinen Vorrang vor anderen moralischen Erwägungen, und das Leiden, das diese Form der Schlachtung verursacht, ist so gravierend, dass es uns nicht gestattet, nichts dagegen zu unternehmen. Konsumenten können ihren Teil dazu beitragen, indem sie Orte boykottieren, die fortdauernd Fleisch von unbetäubten Tieren verkaufen.
Ich finde es furchtbar traurig, dass VIVA! entschieden hat, dieses Problem als das einer muslimischen Prakitk darzustellen, die Art und Weise betreffend, wie Tiere geschlachtet werden, nicht, dass sie überhaupt geschlachtet werden. Leider haben Muslime kein Monopol darauf, Tiere zu misshandeln, und VIVA!s Kommentare ermutigen Islamophobie, die in den USA und Großbritannien bereits grassiert. Und wie bereits erwähnt, verwenden Juden eine gleichartige Schlachtmethode, und das Schlachten mit Betäubung, von dem jeder denkt, es sei so viel besser als was Muslime und Juden praktizieren, ist gleichfalls wirklich grässlich.

Es ist nichts als ein bloßes Hirngespinst, zu glauben, es gebe irgendeinen bedeutsamen Unterschied zwischen Halal-Fleisch und ''humanem'' Fleisch . Alles dies schließt Qualen und Tod ein. Es ist schlicht unehrlich, die Vorstellung zu verewigen, dass wir gleichzeitig Tiere als Mitglieder der moralischen Gemeinschaft betrachten und fortfahren können, sie und aus ihnen gemachte Produkte zu essen.

Jeder, der Tiere konsumiert, sitzt, fürchte ich, gewissermaßen im selben Boot. Es gibt kein speziell für Muslime oder Juden konstruiertes Boot. Indem wir halal oder kashrut kritisieren, tun wir so, als ob es einen moralisch bedeutsamen Unterschied [zwischen diesem und anderem Fleisch] gibt und als ob jene, die Fleisch von betäubten Tieren essen, moralisch überlegen seien, weil sie sich mehr um Tierschutz sorgen. Wir beteiligen uns wider einmal an der Lieblingsbeschäftigung des Neuen Tierschutzes, Menschen zu einem guten Gewissen bei der Ausbeutung von Tieren zu verhelfen, solange es ''human'' und mit Rücksicht auf den ''Tierschutz'' geschieht.

Ich sollte erwähnen, dass viel von dem in den USA, besonders im Nordosten, verkauften Fleisch aus koscherer Schlachtung stammt; das gleiche Problem existiert also auch auf dieser Seite des Atlantik.

In jedem Fall besteht die Lösung nicht darin, dass Sie Fleisch von betäubten Tieren kaufen oder Orte boykottieren, die Halal- oder koscheres Fleisch verkaufen.

Die Lösung ist, dass Sie sich fragen: Wenn mich das Problem kümmert, wenn ich Tierquälerei und unnötiges Töten ablehne, warum esse ich dann irgendwelches Fleisch oder irgendwelche Tierprodukte?

Die Antwort darauf ist, dass Sie entweder einräumen, sich nicht wirklich darum zu scheren, oder anfangen, ernsthaft daran zu denken, vegan zu leben.

Es ist eine Schande, dass Gruppen wie VIVA! darauf beharren, dass Veganismus etwas für den Durchschnittsmenschen zu Abschreckendes sei, um es verstehen zu können. Das ist es keineswegs, und diese gängelnde Haltung wird zu einer selbst erfüllenden Prophezeiung und fördert die Darstellung von Veganismus als ''extrem''.

Was schwer zu verstehen ist: wie eine soziale Bewegung, die Tierausbeutung vorgeblich ablehnt, sich weigern kann, für Veganismus als moralische Grundlinie einzutreten, und sich stattdessen damit begnügt, ''Bio-Fleisch'', ''Bio-Milch'' und ''Bio-Eier'' als Produkte, die solchen aus Massentierhaltung vorzuziehen sind, zu bewerben oder die Vorstellung zu verewigen, es gebe einen bedeutungsvollen moralischen Unterschied zwischen Fleisch und anderen Tierprodukten.

Wenn Sie nicht vegan leben: Fangen Sie damit an. Es ist sehr leicht, besser für die Gesundheit und für den Planeten. Und was das Wichtigste ist, es ist das moralisch Richtige und Gerechte.

Die Welt ist vegan! Wenn Du es willst.

Gary L. Francione
©2010 Gary L. Francione