von Gary L. Francione Blog
Liebe KollegInnen,
eine Anzahl Menschen hat mir in der vergangenen Wochen geschrieben und mich gebeten, zum Gebrauch von Gewalt im Kampf für Tierrechte zu bloggen. Ich hatte bereits einen Essay zu diesem Thema verfasst – Ein Kommentar zur Gewaltfrage – und verweise Interessierte darauf. Mein in Kürze erscheinendes Buch, The Animal Rights Debate: Abolition or Regulation, das ich zusammen mit dem Politikwissenschaftler Dr. Robert Garner von der Universität Leicester schreibe, spricht dieses Thema ebenfalls an.
Ich möchte meinen vorausgegangenen Essay um folgenden Gedanken ergänzen:
Da gibt es jene, die behaupten, dass kreative, gewaltlose Aufklärung über Veganismus, die ich zur Veränderung des moralischen Leitbildes zu betreiben vorschlage, unzureichend sei, da dieser Ansatz nicht schnell genug funktioniere angesichts der Schwere des Problems und der verschiedenen sozialen, politischen, ökonomischen und ökologischen Konsequenzen der Tierausbeutung.
Ich bezweifle nicht, dass Tierausbeutung nicht weniger als ein Desaster in jeder Hinsicht und der Faktor ist, der maßgeblich zur Gefährdung unseres Planeten beiträgt. Aber es ist bloße Fantasie zu glauben, dass Gewalt, selbst wenn sie moralisch zu rechtfertigen wäre, was sie, wie ich verfechte, nicht ist, die Lösung ist, das, was die Dinge vorantreibt und diese allerdings alarmierende Situation in wirksamer Weise angeht.
Wie ich in meinem früheren Essay erwähnte, sehen die meisten Menschen die Nutzung von Tieren als die standardmäßige ''normale'' Situation. Gewaltakte können nicht als etwas anderes denn Anschläge auf ein Verhalten gesehen werden, das die meisten Menschen als völlig einwandfrei und moralisch akzeptabel betrachten (zumindest solange es ''human'' ist).
Sich auf Gewalt einzulassen, die von der Mehrheit notwendigerweise als pathologisch interpretiert wird, veranlasst die Menschen nicht dazu, zu denken, dass Tiernutzung moralisch verwerflich ist; wenn Gewalt überhaupt etwas nützt, dann den Zwecken derjenigen, die jedes Bemühen, das moralische Leitbild zu verändern – einschließlich friedlicher, gewaltloser Bemühungen – als Teil einer insgesamt pathologischen und unzulässigen Ethik darstellen wollen. Gewalt ist nicht nur unvereinbar mit einer Ethik des Friedens; sie macht deren Akzeptanz zunichte.
Kreative, gewaltlose Aufklärung über Veganismus ist harte Arbeit. Aber anders als die anderem Möglichkeiten ist sie die einzige Option, die das moralische Leitbild verändern und eine grundlegend andere Bewertung des zugrunde liegenden moralischen Problems zur Folge haben wird. Anders als die anderen Möglichkeiten kann kreative, gewaltlose Aufklärung über Veganismus eine Revolution in Gang setzen – eine des Herzens.
Letztlich sind dies die einzigen Revolutionen, die funktionieren.
Gary L. Francione
©2009 Gary L. Francione
Sunday, 22 March 2009
Die ''alltägliche Realität der Viehzucht für den menschlichen Konsum''
von Gary L. Francione Blog
Liebe KollegInnen,
Home Box Office strahlte kürzlich eine Dokumentation aus, ''Tod in einer Tierfabrik''. Die Dokumentation betrifft die verdeckten Ermittlungen im Schweinemastbetrieb Wiles in Ohio. Der Ermittler, der für die Humane Farming Association [etwa: Verein für humane Tierzucht] arbeitete, filmte heimlich die abscheuliche Behandlung der Tiere und übergab sein Beweismaterial dem örtlichen Staatsanwalt, der zehn Strafanzeigen gegen Wiles, seinen Sohn und einen Angestellten erstattete.
Das Ergebnis der Strafverfolgung? Nur eine Anzeige führte zu einer Verurteilung. Die Strafe? Eine Geldbuße von $250 und die Auflage eines Trainings in der Handhabung und dem Transport von Schweinen. Die Angeklagten und andere Züchter machten geltend, dass die in der Dokumentation aufgezeichneten Praktiken ''die alltägliche Realität der Viehzucht für den menschlichen Konsum'' repräsentierten.
Und sie hatten Recht.
Was gezeigt wird,ist allerdings nichts anderes als Folter. Aber was in dem Wiles-Betrieb passierte, unterscheidet sich nicht von dem, was von jedem großen Massen5tierhaltungsbetrieb durchsickert. Was die Dokumentation zeigt, ist alltäglich. Wenn Sie gestern Abend Schweinefleisch gegessen haben, dann ist das Tier mehr oder weniger derselben Art von Behandlung ausgesetzt gewesen.
Das ist der Grund, warum Anwälte der Tiere nicht die Bemühungen von Tierschutzorganisationen, die Tierausbeutung ''humaner'' zu machen, unterstützen sollten. Tierausbeutung in dem Maßstab, der nötig ist, um auch nur einen kleinen Teil der Weltbevölkerung zu ernähren, kann nicht in irgendeiner bedeutsamen Weise ''humaner''gemacht werden. Die ökonomischen Bedingungen der Produktion machen es unmöglich – nicht nur schwierig – unmöglich. Wäre es möglich, würden wir uns natürlich immer noch mit der Frage befassen müssen, ob Tiernutzung gerechtfertigt werden kann, unabhängig davon, wie ''human'' sie ist, aber wir können versichert sein, dass sie niemals ''human'' sein wird, weil sie immer ein erhebliches Maß an Folter einschließen wird.
Tierschutzreformen wie Kaliforniens Proposition 2 oder die Kampagne für die Vergasung von Hühnern sind das Gleiche wie das hübsche Tapezieren einer Folterkammer. Gerade so, wie die Tapete jene, die die Folter anwenden, sich besser in ihrer Umgebung fühlen lassen mag, lassen Tierschutzreformen diejenigen, die Tiere ausbeuten – und das schließt jeden ein, der die Nachfrage durch den Konsum von Fleisch, Milch, Eiern etc. fördert – sich besser dabei fühlen, Tiere zu konsumieren. Ebenso wie die Tapete nichts irgend Belangvolles leistet, um den menschlichen Folteropfern zu helfen, leistet die Augenwischerei von Tierschutzreformen wenig, um den tierlichen Folteropfern zu helfen.
Es gibt tatsächlich nur eine moralisch vernünftige und praktische Antwort auf die Tierausbeutung: Leben Sie vegan und widmen Sie, was immer an Zeit und Mitteln Sie zur Verfügung haben, kreativer, gewaltloser Aufklärung über Veganismus.
Gary L. Francione
©2009 Gary L. Francione
Liebe KollegInnen,
Home Box Office strahlte kürzlich eine Dokumentation aus, ''Tod in einer Tierfabrik''. Die Dokumentation betrifft die verdeckten Ermittlungen im Schweinemastbetrieb Wiles in Ohio. Der Ermittler, der für die Humane Farming Association [etwa: Verein für humane Tierzucht] arbeitete, filmte heimlich die abscheuliche Behandlung der Tiere und übergab sein Beweismaterial dem örtlichen Staatsanwalt, der zehn Strafanzeigen gegen Wiles, seinen Sohn und einen Angestellten erstattete.
Das Ergebnis der Strafverfolgung? Nur eine Anzeige führte zu einer Verurteilung. Die Strafe? Eine Geldbuße von $250 und die Auflage eines Trainings in der Handhabung und dem Transport von Schweinen. Die Angeklagten und andere Züchter machten geltend, dass die in der Dokumentation aufgezeichneten Praktiken ''die alltägliche Realität der Viehzucht für den menschlichen Konsum'' repräsentierten.
Und sie hatten Recht.
Was gezeigt wird,ist allerdings nichts anderes als Folter. Aber was in dem Wiles-Betrieb passierte, unterscheidet sich nicht von dem, was von jedem großen Massen5tierhaltungsbetrieb durchsickert. Was die Dokumentation zeigt, ist alltäglich. Wenn Sie gestern Abend Schweinefleisch gegessen haben, dann ist das Tier mehr oder weniger derselben Art von Behandlung ausgesetzt gewesen.
Das ist der Grund, warum Anwälte der Tiere nicht die Bemühungen von Tierschutzorganisationen, die Tierausbeutung ''humaner'' zu machen, unterstützen sollten. Tierausbeutung in dem Maßstab, der nötig ist, um auch nur einen kleinen Teil der Weltbevölkerung zu ernähren, kann nicht in irgendeiner bedeutsamen Weise ''humaner''gemacht werden. Die ökonomischen Bedingungen der Produktion machen es unmöglich – nicht nur schwierig – unmöglich. Wäre es möglich, würden wir uns natürlich immer noch mit der Frage befassen müssen, ob Tiernutzung gerechtfertigt werden kann, unabhängig davon, wie ''human'' sie ist, aber wir können versichert sein, dass sie niemals ''human'' sein wird, weil sie immer ein erhebliches Maß an Folter einschließen wird.
Tierschutzreformen wie Kaliforniens Proposition 2 oder die Kampagne für die Vergasung von Hühnern sind das Gleiche wie das hübsche Tapezieren einer Folterkammer. Gerade so, wie die Tapete jene, die die Folter anwenden, sich besser in ihrer Umgebung fühlen lassen mag, lassen Tierschutzreformen diejenigen, die Tiere ausbeuten – und das schließt jeden ein, der die Nachfrage durch den Konsum von Fleisch, Milch, Eiern etc. fördert – sich besser dabei fühlen, Tiere zu konsumieren. Ebenso wie die Tapete nichts irgend Belangvolles leistet, um den menschlichen Folteropfern zu helfen, leistet die Augenwischerei von Tierschutzreformen wenig, um den tierlichen Folteropfern zu helfen.
Es gibt tatsächlich nur eine moralisch vernünftige und praktische Antwort auf die Tierausbeutung: Leben Sie vegan und widmen Sie, was immer an Zeit und Mitteln Sie zur Verfügung haben, kreativer, gewaltloser Aufklärung über Veganismus.
Gary L. Francione
©2009 Gary L. Francione
Friday, 20 March 2009
''Einstiegsargumente''
von Gary L. Francione Blog
Liebe Kolleginnen,
Es ist Frühjahrspause an der Uni, deshalb nutze ich die zusätzliche Zeit dazu, Blogs zu schreiben!
Ich möchte drei verwandte Argumente ansprechen, auf die üblicherweise als ''Einstiegsargumente'' Bezug genommen wird: (1) dass wir eine Form des Vegetarismus fördern sollten, die das Essen von Eiern, Milch oder sogar Fisch als Einstieg in den Veganismus erlaubt; (2) dass wir ''Bio-Fleisch'', wie etwa Huhn von KFC [Kentucky Fried Chicken], das vergast anstatt durch Strom getötet wurde, Bio-Eier'', ''Bio-Milch'' etc. als Einstieg in den Lacto-Ovo-Pesco-Vegetarismus und dann in den Veganismus propagieren sollten; (3) dass wir Tierschutzreformen als Einstieg in die Abschaffung der Tierausbeutung unterstützen sollten.
Ich verwerfe diese Einstiegsargumente sowohl aus theoretischen als aus praktischen Gründen.
Theoretisch gesehen: Selbst wenn Vegetarismus ein Einstieg in den Veganismus oder ''Bio-Fleisch'' ein Einstieg in den Vegetarismus oder Tierschutzreformen ein Einstieg in die soziale Akzeptanz der Abschaffung der Tierausbeutung wäre, sollten wir etwas, das moralisch falsch ist, fördern, um zu etwas moralisch Richtigem zu gelangen? Es ist natürlich besser, wenn ein Vergewaltiger das Vergewaltigungsopfer nicht zusätzlich prügelt. Aber bedeutet das, dass wir eine Kampagne zugunsten ''humaner'' Vergewaltigung als Einstieg ins Nicht-Vergewaltigen betreiben sollten? Einige Formen von Rassismus sind schlimmer als andere, aber würde jemand ernstlich vorschlagen, dass wir eine Kampagne zugunsten vermeintlich ''besserer'' Formen von Rassismus betreiben sollten? Es ist besser, wenn eine Person weniger schwer, als wenn sie schwerer gefoltert wird, aber würden wir für ''humane'' Folter kämpfen?
Natürlich nicht. Wo es um Menschen betreffende Fragen geht, sehen die meisten von uns das Problem, und wenige, wenn überhaupt jemand von uns würde für ''humane'' Vergewaltigung, ''humanen'' Rassismus oder ''humane'' Folter eintreten.
Aber wenn es um Tiere geht, sind viele von uns bereit, Fahnenflucht zu begehen und Dinge zu fördern, von denen wir zugeben, dass sie die fundamentalen Rechte von Tieren verletzen. Es gibt keinen moralisch relevanten Unterschied zwischen Fleisch und Fisch oder zwischen Fleisch und Milch. In einem Glas Milch steckt genauso viel (wenn nicht mehr) Leiden wie in einem Pfund Steak, und einem Fisch ist sein Leben genauso viel wert wie einer Kuh das ihre. ''Bio''-Tierprodukte gehen mit keinem größeren Schutz tierlicher Interessen einher und ''Bio''-Tiere werden immer noch in einer Weise behandelt, die das einschließt, was als Folter betrachtet würde, wären Menschen betroffen. Tierschutzreformen sind eine direkte Entsprechung zu ''humaner'' Vergewaltigung und ''humanem'' Rassismus.
Deshalb eignet diesen Einstiegsargumenten die beunruhigende Eigenschaft, Verhalten oder Praktiken zu fördern, die offen die Grundrechte von Tieren verletzen, wo wir dies niemals im Zusammenhang mit Menschen tun würden. Der Einstiegsansatz ist auf den ersten Blick speziesistisch.
Praktisch gesehen haben Einstiegsargumente eine empirische oder sachliche Prämisse gemeinsam: dass Lacto-Ovo-Pesco-Vegetarismus zu Veganismus führt; dass ''Bio-Fleisch'' zu Vegetarismus und Veganismus führt; dass Tierschutzreformen ein für die Abschaffung der Tierausbeutung günstigeres soziales und politisches Klima schaffen. Wenn diese Argumentationsweise funktionieren soll, muss es eine klare ursächliche Verbindung zwischen der Einstiegskomponente (Vegetarismus, ''Bio-Fleisch'', Tierschutzreformen) und dem angestrebten Ziel (Vegetarismus, Veganismus, Abschaffung der Tierausbeutung) geben.
Das Problem besteht darin, dass es nichts gibt, was diese Annahme eines kausalen Zusammenhangs stützt. Obwohl es sicherlich Vegetarier gibt, die Veganer geworden sind, gibt es sicherlich auch viele Vegetarier, die niemals Veganer werden. Die Behauptung, dass ''Bio-Fleisch'' und andere ''Bio''-Tierprodukte zu Vegetarismus führen, der zu Veganismus führt, ermangelt nicht nur des Beweises; vielmehr weist alles in die Gegenrichtung. Das heißt, die ''Bio-Fleisch''-Bewegung bewegt uns tatsächlich rückwärts, insofern mehr und mehr Menschen – einschließlich jener, die einmal Vegetarier oder sogar Veganer waren – sich beim Konsum von Tierprodukten wieder wohl fühlen. Wenn People for the Ethical Treatment of Animals einen Preis an Whole Foods als tierfreundlichstem Einzelhändler verleiht mit der Behauptung, ''Whole Foods [habe] mit der Forderung, dass Produzenten strikte Standards befolgen, beständig mehr für den Tierschutz getan, als jeder andere Einzelhändler in der Industrie '', so sendet dies schließlich eine sehr klare Botschaft: dass das Essen der Leichen(teile) und anderen Tierprodukte, die bei Whole Foods verkauft werden, eine moralisch akzeptable, wenn schon keine moralisch ideale Sache ist.
Die Behauptung, dass Tierschutzreformen ein Einsteg sind, der zur sozialen Akzeptanz und zum Erreichen der Abschaffung der Tierausbeutung führt, wird gleichfalls nicht nur faktisch durch nichts gestützt, sie ist eindeutig falsch. Der Tierschutzansatz ist das beherrschende Modell seit nunmehr 200 Jahren und wir nutzen mehr Tiere auf grauenvollere Art und Weise als jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit. Es gibt keinen historischen Anhaltspunkt dafür, dass die Regulierung der Tiernutzung ein Einstieg in ihre Abschaffung ist oder zu ihr in irgendeiner Weise hinführt; es gibt keinen historischen Anhaltspunkt dafür, dass Tierschutzreformen zu etwas anderem führen als zu mehr Tierausbeutung.
Wir können Tierausbeutung als eine Angelegenheit grundlegender Moralität nicht rechtfertigen. Einstiegsargumente sind unvereinbar mit dem fundamentalen Recht von Tieren, nicht als menschliche Ressourcen genutzt zu werden, und beruhen auf faktischen Prämissen, die nicht nur durch nichts gestützt werden, sondern nachweislich falsch sind.
Gary L. Francione
©2009 Gary L. Francione
Liebe Kolleginnen,
Es ist Frühjahrspause an der Uni, deshalb nutze ich die zusätzliche Zeit dazu, Blogs zu schreiben!
Ich möchte drei verwandte Argumente ansprechen, auf die üblicherweise als ''Einstiegsargumente'' Bezug genommen wird: (1) dass wir eine Form des Vegetarismus fördern sollten, die das Essen von Eiern, Milch oder sogar Fisch als Einstieg in den Veganismus erlaubt; (2) dass wir ''Bio-Fleisch'', wie etwa Huhn von KFC [Kentucky Fried Chicken], das vergast anstatt durch Strom getötet wurde, Bio-Eier'', ''Bio-Milch'' etc. als Einstieg in den Lacto-Ovo-Pesco-Vegetarismus und dann in den Veganismus propagieren sollten; (3) dass wir Tierschutzreformen als Einstieg in die Abschaffung der Tierausbeutung unterstützen sollten.
Ich verwerfe diese Einstiegsargumente sowohl aus theoretischen als aus praktischen Gründen.
Theoretisch gesehen: Selbst wenn Vegetarismus ein Einstieg in den Veganismus oder ''Bio-Fleisch'' ein Einstieg in den Vegetarismus oder Tierschutzreformen ein Einstieg in die soziale Akzeptanz der Abschaffung der Tierausbeutung wäre, sollten wir etwas, das moralisch falsch ist, fördern, um zu etwas moralisch Richtigem zu gelangen? Es ist natürlich besser, wenn ein Vergewaltiger das Vergewaltigungsopfer nicht zusätzlich prügelt. Aber bedeutet das, dass wir eine Kampagne zugunsten ''humaner'' Vergewaltigung als Einstieg ins Nicht-Vergewaltigen betreiben sollten? Einige Formen von Rassismus sind schlimmer als andere, aber würde jemand ernstlich vorschlagen, dass wir eine Kampagne zugunsten vermeintlich ''besserer'' Formen von Rassismus betreiben sollten? Es ist besser, wenn eine Person weniger schwer, als wenn sie schwerer gefoltert wird, aber würden wir für ''humane'' Folter kämpfen?
Natürlich nicht. Wo es um Menschen betreffende Fragen geht, sehen die meisten von uns das Problem, und wenige, wenn überhaupt jemand von uns würde für ''humane'' Vergewaltigung, ''humanen'' Rassismus oder ''humane'' Folter eintreten.
Aber wenn es um Tiere geht, sind viele von uns bereit, Fahnenflucht zu begehen und Dinge zu fördern, von denen wir zugeben, dass sie die fundamentalen Rechte von Tieren verletzen. Es gibt keinen moralisch relevanten Unterschied zwischen Fleisch und Fisch oder zwischen Fleisch und Milch. In einem Glas Milch steckt genauso viel (wenn nicht mehr) Leiden wie in einem Pfund Steak, und einem Fisch ist sein Leben genauso viel wert wie einer Kuh das ihre. ''Bio''-Tierprodukte gehen mit keinem größeren Schutz tierlicher Interessen einher und ''Bio''-Tiere werden immer noch in einer Weise behandelt, die das einschließt, was als Folter betrachtet würde, wären Menschen betroffen. Tierschutzreformen sind eine direkte Entsprechung zu ''humaner'' Vergewaltigung und ''humanem'' Rassismus.
Deshalb eignet diesen Einstiegsargumenten die beunruhigende Eigenschaft, Verhalten oder Praktiken zu fördern, die offen die Grundrechte von Tieren verletzen, wo wir dies niemals im Zusammenhang mit Menschen tun würden. Der Einstiegsansatz ist auf den ersten Blick speziesistisch.
Praktisch gesehen haben Einstiegsargumente eine empirische oder sachliche Prämisse gemeinsam: dass Lacto-Ovo-Pesco-Vegetarismus zu Veganismus führt; dass ''Bio-Fleisch'' zu Vegetarismus und Veganismus führt; dass Tierschutzreformen ein für die Abschaffung der Tierausbeutung günstigeres soziales und politisches Klima schaffen. Wenn diese Argumentationsweise funktionieren soll, muss es eine klare ursächliche Verbindung zwischen der Einstiegskomponente (Vegetarismus, ''Bio-Fleisch'', Tierschutzreformen) und dem angestrebten Ziel (Vegetarismus, Veganismus, Abschaffung der Tierausbeutung) geben.
Das Problem besteht darin, dass es nichts gibt, was diese Annahme eines kausalen Zusammenhangs stützt. Obwohl es sicherlich Vegetarier gibt, die Veganer geworden sind, gibt es sicherlich auch viele Vegetarier, die niemals Veganer werden. Die Behauptung, dass ''Bio-Fleisch'' und andere ''Bio''-Tierprodukte zu Vegetarismus führen, der zu Veganismus führt, ermangelt nicht nur des Beweises; vielmehr weist alles in die Gegenrichtung. Das heißt, die ''Bio-Fleisch''-Bewegung bewegt uns tatsächlich rückwärts, insofern mehr und mehr Menschen – einschließlich jener, die einmal Vegetarier oder sogar Veganer waren – sich beim Konsum von Tierprodukten wieder wohl fühlen. Wenn People for the Ethical Treatment of Animals einen Preis an Whole Foods als tierfreundlichstem Einzelhändler verleiht mit der Behauptung, ''Whole Foods [habe] mit der Forderung, dass Produzenten strikte Standards befolgen, beständig mehr für den Tierschutz getan, als jeder andere Einzelhändler in der Industrie '', so sendet dies schließlich eine sehr klare Botschaft: dass das Essen der Leichen(teile) und anderen Tierprodukte, die bei Whole Foods verkauft werden, eine moralisch akzeptable, wenn schon keine moralisch ideale Sache ist.
Die Behauptung, dass Tierschutzreformen ein Einsteg sind, der zur sozialen Akzeptanz und zum Erreichen der Abschaffung der Tierausbeutung führt, wird gleichfalls nicht nur faktisch durch nichts gestützt, sie ist eindeutig falsch. Der Tierschutzansatz ist das beherrschende Modell seit nunmehr 200 Jahren und wir nutzen mehr Tiere auf grauenvollere Art und Weise als jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit. Es gibt keinen historischen Anhaltspunkt dafür, dass die Regulierung der Tiernutzung ein Einstieg in ihre Abschaffung ist oder zu ihr in irgendeiner Weise hinführt; es gibt keinen historischen Anhaltspunkt dafür, dass Tierschutzreformen zu etwas anderem führen als zu mehr Tierausbeutung.
Wir können Tierausbeutung als eine Angelegenheit grundlegender Moralität nicht rechtfertigen. Einstiegsargumente sind unvereinbar mit dem fundamentalen Recht von Tieren, nicht als menschliche Ressourcen genutzt zu werden, und beruhen auf faktischen Prämissen, die nicht nur durch nichts gestützt werden, sondern nachweislich falsch sind.
Gary L. Francione
©2009 Gary L. Francione
Wednesday, 18 March 2009
''Tier-Recht'': Haken und Stachelstöcke ''humaner'' machen
von Gary L. Francione Blog
Liebe KollegInnen,
Ich erhalte oft Anfragen von Studierenden im Grundstudium, die mir erzählen, dass sie die juristische Fakultät besuchen wollen, um ''Tier-Recht'' zu studieren, und mich um Rat fragen, wie sie ''Tierrechtsjuristen'' werden können. Ich antworte, dass das, was im Allgemeinen mit ''Tierrecht'' gemeint ist – Fälle tierärztlicher Kunstfehler, des Sorgerechts und der Einrichtung von Treuhandfonds für ''Heimtiere'' sowie Fälle von Tierquälerei – Tiere in keiner Weise von ihrem Status als Eigentum wegbewegt. Aus den in unserem Video zum Tier im Recht dargelegten Gründen verwurzelt es sie vielmehr noch tiefer im Eigentumsparadigma. Ich sage jenen Studierenden, dass sie, wenn sie etwas Nützliches tun wollen, (1) vegan leben, (2) andere über Veganismus aufklären und (3) als Juristen kostenlos für Anwälte der Tiere arbeiten sollen, die Veganismus fördern und Rechtsschutz benötigen, was oft der Fall ist. Ich selbst habe viele solche Aktivisten über die Jahre vertreten.
Die Probleme werden verdeutlicht durch die anhängige Klage einer Gruppe von Tierschutzorganisationen und eines früheren Elefantentrainers gegen den Ringling-Brothers-und-Barnum-und-Bailey-Zirkus. Die Streitfrage ist, ob der Gebrauch von Haken und Stöcken mit Metallspitzen, um Elefanten unter Kontrolle zu halten, das Abkommen zum Schutz gefährdeter Arten verletzt.
In einem Artikel (''Tierrechte, Zirkusanwälte uneins über Elefanten'') heißt es zum Klageverfahren:
Wie viele Dollar, gespendet, um Tieren zu helfen, werden für solche Bemühungen verwendet? Wichtiger noch, warum denkt irgendjemand, dass diese Art von Verfahren irgendetwas dazu leistet, in Richtung Abschaffung der Tierausbeutung oder auch nur der Gewährung eines erhöhten Schutzes für Tiere zu führen? Vielleicht sollten wir überlegen, ob das Geld nicht besser darauf verwendet würde, die Menschen darüber aufzuklären, warum sie keine Zirkusse besuchen sollten, die irgendein Tier verwenden. Es ist ein Nullsummenspiel: Jeder Dollar, den wir für die Regulierung des Gebrauchs von Haken und Stachelstöcken ausgeben, ist ein Dollar weniger, den wir dafür ausgeben, die Nachfrage nach solchen Schauspielen durch kreative, gewaltlose, abolitionistische Aufklärung zu vermindern.
Aber die Streifrage führt immer wieder zum Veganismus zurück. Solange wir jedes Jahr 56 Milliarden Tiere für Nahrungszwecke (aquatische Tiere nicht mitgerechnet) mit der einzigen Rechtfertigung töten, dass wir den Geschmack von Tierprodukten genießen, ist es unwahrscheinlich, dass wir ein Bewusstsein entwickeln, das irgendwo anders hin als zu vermeintlich ''humanerer'' Ausbeutung führt. Das Regulieren des Gebrauchs von Ketten und Haken wird Tieren nicht viel, wenn überhaupt einen Nutzen bringen; allerdings wird es uns ein besseres Gefühl dabei geben, sie auszubeuten.
Gary L. Francione
© 2009 Gary L. Francione
Liebe KollegInnen,
Ich erhalte oft Anfragen von Studierenden im Grundstudium, die mir erzählen, dass sie die juristische Fakultät besuchen wollen, um ''Tier-Recht'' zu studieren, und mich um Rat fragen, wie sie ''Tierrechtsjuristen'' werden können. Ich antworte, dass das, was im Allgemeinen mit ''Tierrecht'' gemeint ist – Fälle tierärztlicher Kunstfehler, des Sorgerechts und der Einrichtung von Treuhandfonds für ''Heimtiere'' sowie Fälle von Tierquälerei – Tiere in keiner Weise von ihrem Status als Eigentum wegbewegt. Aus den in unserem Video zum Tier im Recht dargelegten Gründen verwurzelt es sie vielmehr noch tiefer im Eigentumsparadigma. Ich sage jenen Studierenden, dass sie, wenn sie etwas Nützliches tun wollen, (1) vegan leben, (2) andere über Veganismus aufklären und (3) als Juristen kostenlos für Anwälte der Tiere arbeiten sollen, die Veganismus fördern und Rechtsschutz benötigen, was oft der Fall ist. Ich selbst habe viele solche Aktivisten über die Jahre vertreten.
Die Probleme werden verdeutlicht durch die anhängige Klage einer Gruppe von Tierschutzorganisationen und eines früheren Elefantentrainers gegen den Ringling-Brothers-und-Barnum-und-Bailey-Zirkus. Die Streitfrage ist, ob der Gebrauch von Haken und Stöcken mit Metallspitzen, um Elefanten unter Kontrolle zu halten, das Abkommen zum Schutz gefährdeter Arten verletzt.
In einem Artikel (''Tierrechte, Zirkusanwälte uneins über Elefanten'') heißt es zum Klageverfahren:
Vom Richter befragt, räumte Meyer [die Prozessbevollmächtigte der Kläger] ein, dass nicht jeder Gebrauch von Ketten und Stachelstöcken das Gesetz verletzt. Sie sagte, sie hoffe, [der Richter] werde anordnen, dass der Zirkus eine Genehmigung für den Gebrauch der Geräte vom U.S. Fish-and-Wildlife-Service einholt. Aber sie konnte nicht genau angeben, welche Behandlung erlaubt sein sollte oder auch nur wie lange Elefanten rechtlich zulässigerweise angekettet gehalten werden dürfen.Ich kenne Kathleen Meyer, die die Kläger juristisch vertritt. Sie ist eine gute Anwältin. Allerdings ist es traurig, dass die ''Tierrechtsposition'' darin besteht, dass wir den Gebrauch von Haken und Stachelstöcken regulieren müssen und verlangen, dass Zirkusse Genehmigungen einholen. Die Vorstellung, dass die ''Tierrechtsposition'' die Frage betrifft, wie lange Elefanten angekettet gehalten werden dürfen, ist auf mehreren Ebenen beunruhigend.
Wie viele Dollar, gespendet, um Tieren zu helfen, werden für solche Bemühungen verwendet? Wichtiger noch, warum denkt irgendjemand, dass diese Art von Verfahren irgendetwas dazu leistet, in Richtung Abschaffung der Tierausbeutung oder auch nur der Gewährung eines erhöhten Schutzes für Tiere zu führen? Vielleicht sollten wir überlegen, ob das Geld nicht besser darauf verwendet würde, die Menschen darüber aufzuklären, warum sie keine Zirkusse besuchen sollten, die irgendein Tier verwenden. Es ist ein Nullsummenspiel: Jeder Dollar, den wir für die Regulierung des Gebrauchs von Haken und Stachelstöcken ausgeben, ist ein Dollar weniger, den wir dafür ausgeben, die Nachfrage nach solchen Schauspielen durch kreative, gewaltlose, abolitionistische Aufklärung zu vermindern.
Aber die Streifrage führt immer wieder zum Veganismus zurück. Solange wir jedes Jahr 56 Milliarden Tiere für Nahrungszwecke (aquatische Tiere nicht mitgerechnet) mit der einzigen Rechtfertigung töten, dass wir den Geschmack von Tierprodukten genießen, ist es unwahrscheinlich, dass wir ein Bewusstsein entwickeln, das irgendwo anders hin als zu vermeintlich ''humanerer'' Ausbeutung führt. Das Regulieren des Gebrauchs von Ketten und Haken wird Tieren nicht viel, wenn überhaupt einen Nutzen bringen; allerdings wird es uns ein besseres Gefühl dabei geben, sie auszubeuten.
Gary L. Francione
© 2009 Gary L. Francione
Monday, 16 March 2009
Peter Singer und die Tierrschutzposition zum geringeren Wert nichtmenschlichen Lebens
von Gary L. Francione Blog
Liebe KollegInnen,
einige Anwälte der Tiere behaupten, es gebe keinen wirklichen Unterschied zwischen dem abolitionistischen Ansatz und dem Tierschutzansatz von Peter Singer.
Ich habe Singers Ansicht in früheren Essays auf dieser Website (siehe z. B.1, 2) und in meinen Büchern und Artikeln in dem Bemühen besprochen, das zu illustrieren, was ich als die wesentlichen theoretischen und praktischen Unterschiede in unseren Ansätzen erachte. Ein weiteres Beispiel zeigt sich in einem kürzlichen Interview mit Singer. Dort sagt er:
Singers Bemerkungen sind aus mehreren Gründen problematisch. Zunächst unterstellt er, dass Hühner und andere empfindungsfähige Tiere keine vorausschauenden Wesen sind. Ich habe wenig persönliche Erfahrung mit Hühnern, aber ich weiß genug von ihnen, um zu schlussfolgern, dass ihr Verhalten nicht erklärt werden kann, ohne ihnen eine Art von Kognition zuzuschreiben, die dem gleichwertig ist, was wir bei Menschen als vorausschauend bezeichnen. Hühner haben eindeutig Interessen, Vorlieben und Wünsche, und sie vermögen zu handeln, um ihre Vorlieben und Wünsche zu befriedigen. Wenn wir diese Tiere töten, berauben wir sie der Fähigkeit, die Befriedigung ihrer Interessen, Vorlieben und Wünsche zu genießen – gerade so, wie wir das tun, wenn wir Menschen töten.
Ich habe eingehende Erfahrung mit Hunden und kann mit völliger Gewissheit sagen, dass ich erstaunt wäre, würde jemand behaupten, Hunde seien keine vorausschauenden Wesen oder sie hätten keine Hoffnungen und Wünsche.
Die Singers Position zugrunde liegende Voraussetzung ist, dass die einzige Weise, vorausschauend zu sein und Hoffnungen und Wünsche zu haben, die ist, in der Menschen sie haben. Aber dies ist klarerweise eine speziesistische Position. Menschen haben Konzeptionen, die unlösbar mit symbolischer Kommunikation verbunden sind. Die Kognition von Tieren ist höchstwahrscheinlich sehr verschieden von menschlicher Kognition, weil sie sich keiner symbolische Kommunikation bedienen. Aber dies bedeutet mit Sicherheit nicht, dass Tiere über keine gleichwertigen kognitiven Phänomene verfügen.
Zweitens, und wichtiger, ist der moralische Wert, den Singer der Fähigkeit, für die Zukunft zu planen, zuordnet. Was ist mit Menschen mit einem vorübergehenden, umfassenden Gedächtnisverlust? Sie haben einen Sinn ihrer selbst in der Gegenwart, aber sie sind außerstande, sich an Vergangenes zu erinnern oder für die Zukunft zu planen. Wäre es moralisch falsch, sie zu töten? Natürlich wäre es das. Würden wir es als (moralisch oder rechtlich) schlimmer bewerten, eine Person zu töten, die nicht in dieser Verfassung ist? Natürlich nicht. Wir würden beide Tötungsdelikte als gleichermaßen schuldhaft betrachten, weil in beiden Fällen Menschen ihres Lebens beraubt wurden, das für sie von Bedeutung war. Das Leben eines Huhns ist für es ebenso kostbar wie mir das meine oder der Person mit Amnesie das ihre.
Überdies wäre, nach Singers Analyse, das Leben eines Menschen, der mehr Hoffnungen und Wünsche hat, mehr wert als das eines Menschen, der weniger hat. Also ist das Leben eines an Depressionen Leidenden, der möglicherweise nicht besonders erwartungsvoll in die Zukunft schaut oder für diese plant oder das Leben einer Person, deren Hoffnungen und Wünsche sich auf die nächste Mahlzeit oder einen Platz zum Schlafen richten, weniger wert als das, sagen wir eines Princeton-Professors, der jede Menge Hoffnungen und Wünsche für die Zukunft hat.
Singers Bemerkungen spiegeln – einmal mehr – die Ansicht des Tierschutzes wider, dass unsere Nutzung von Tieren nicht das hauptsächliche oder überhaupt ein moralisches Problem ist, weil, dieser Ansicht zufolge, Tiere tatsächlich kein Interesse an ihrem Leben haben. Das heißt, Tierschützer halten an der Auffassung fest, dass Tiere ein Interesse, nicht zu leiden, haben; da sie aber mangels Hoffnungen und Zukunftswünschen kein Interesse an fortgesetztem Leben haben, können wir sie für unsere Zwecke nutzen, solange wir sie ''human'' behandeln. Singer akzeptiert zweifelsfrei das Tierschutz-Prinzip, dass Tiere von geringerem moralischem Wert als Menschen sind. Er verwirft eindeutig, ausdrücklich und wiederholt das Konzept von Tierrechten trotz seines Anspruchs – den er in seinem Interview nochmals erhebt –, er habe ''eine Tierrechtsbewegung zu schaffen'' gesucht.
Singers Aussagen in diesem Interview stellen nichts Neues dar. Er sagt diese Dinge seit Jahren, angefangen von Animal Liberation, einem Buch, dass nicht von Tierrechten handelt, aber Singer den Titel ''Vater der Tierrechtsbewegung'' eingetragen hat. Es ist allerdings nicht weniger als erstaunlich, dass so viele Anwälte der Tiere behaupten, es gebe keine wirklichen Unterschied zwischen Singers Position und dem abolitionistischen Tierrechtsansatz.
Jenen, die die Unterschiede nicht sehen, drücke ich meine ernste und tief gehende Bestürzung aus.
Gary L. Francione
©2009 Gary L. Francione
Nachtrag 22.März 2009
Gestern erhielt ich eine Email mit folgender Bemerkung:
Was überraschend und schockierend ist, ist der Umstand, dass eine ''Tierrechtsbewegung'' Animal Liberation als '''Bibel' der modernen Tierrechtsbewegung'' anpreist oder Singer als ''Vater der modernen Bewegung für Tiere'' begrüßt und fördert.
Viele kritisieren Singer, weil er seine Sichtweise als ''Tierrechtsposition'' charakterisiert. Das sollte er sicherlich nicht tun, da es nicht zutreffend ist; er weiß das und hat es bei einer Reihe von Gelegenheiten ausdrücklich eingeräumt. Aber die hauptsächliche Verantwortlichkeit liegt auf Seiten von Anwälten der Tiere, die sich augenscheinlich niemals die Mühe gemacht haben, Animal Liberation zu lesen, bevor sie das Buch zur ''Bibel'' kürten und die sich jedenfalls nicht die Zeit genommen haben, kritisch über die Bedeutung von ''Tierrechten'' nachzudenken.
Niemals zuvor in der Geschichte der Menschheit war eine soziale Bewegung so verdreht.
Gary L. Francione
© 2009 Gary L. Francione
Liebe KollegInnen,
einige Anwälte der Tiere behaupten, es gebe keinen wirklichen Unterschied zwischen dem abolitionistischen Ansatz und dem Tierschutzansatz von Peter Singer.
Ich habe Singers Ansicht in früheren Essays auf dieser Website (siehe z. B.1, 2) und in meinen Büchern und Artikeln in dem Bemühen besprochen, das zu illustrieren, was ich als die wesentlichen theoretischen und praktischen Unterschiede in unseren Ansätzen erachte. Ein weiteres Beispiel zeigt sich in einem kürzlichen Interview mit Singer. Dort sagt er:
Sie könnten sagen, es sei falsch, ein Wesen zu töten, wann immer dieses Wesen empfindungsfähig oder bewusst ist. Dann müssten Sie sagen, ein Huhn oder eine Maus zu töten sei ebenso falsch, wie Sie oder mich zu töten. Ich kann diese Vorstellung nicht akzeptieren. Es mag ebenso falsch sein, aber Millionen von Hühnern werden jeden Tag getötet. Ich kann daran nicht als an eine Tragödie desselben Maßstabs wie an das Umbringen von Millionen von Menschen denken. Was ist anders an Menschen? Menschen sind vorausschauende Wesen und sie haben Hoffnungen und Wünsche für die Zukunft. Dies scheint eine plausible Antwort auf die Frage zu sein, warum es so tragisch ist, wenn Menschen sterben.Singer formuliert ganz deutlich die Vorstellung des Tierschutzes, dass das Leben von Tieren von geringerem moralischem Wert ist als das von Menschen.
Singers Bemerkungen sind aus mehreren Gründen problematisch. Zunächst unterstellt er, dass Hühner und andere empfindungsfähige Tiere keine vorausschauenden Wesen sind. Ich habe wenig persönliche Erfahrung mit Hühnern, aber ich weiß genug von ihnen, um zu schlussfolgern, dass ihr Verhalten nicht erklärt werden kann, ohne ihnen eine Art von Kognition zuzuschreiben, die dem gleichwertig ist, was wir bei Menschen als vorausschauend bezeichnen. Hühner haben eindeutig Interessen, Vorlieben und Wünsche, und sie vermögen zu handeln, um ihre Vorlieben und Wünsche zu befriedigen. Wenn wir diese Tiere töten, berauben wir sie der Fähigkeit, die Befriedigung ihrer Interessen, Vorlieben und Wünsche zu genießen – gerade so, wie wir das tun, wenn wir Menschen töten.
Ich habe eingehende Erfahrung mit Hunden und kann mit völliger Gewissheit sagen, dass ich erstaunt wäre, würde jemand behaupten, Hunde seien keine vorausschauenden Wesen oder sie hätten keine Hoffnungen und Wünsche.
Die Singers Position zugrunde liegende Voraussetzung ist, dass die einzige Weise, vorausschauend zu sein und Hoffnungen und Wünsche zu haben, die ist, in der Menschen sie haben. Aber dies ist klarerweise eine speziesistische Position. Menschen haben Konzeptionen, die unlösbar mit symbolischer Kommunikation verbunden sind. Die Kognition von Tieren ist höchstwahrscheinlich sehr verschieden von menschlicher Kognition, weil sie sich keiner symbolische Kommunikation bedienen. Aber dies bedeutet mit Sicherheit nicht, dass Tiere über keine gleichwertigen kognitiven Phänomene verfügen.
Zweitens, und wichtiger, ist der moralische Wert, den Singer der Fähigkeit, für die Zukunft zu planen, zuordnet. Was ist mit Menschen mit einem vorübergehenden, umfassenden Gedächtnisverlust? Sie haben einen Sinn ihrer selbst in der Gegenwart, aber sie sind außerstande, sich an Vergangenes zu erinnern oder für die Zukunft zu planen. Wäre es moralisch falsch, sie zu töten? Natürlich wäre es das. Würden wir es als (moralisch oder rechtlich) schlimmer bewerten, eine Person zu töten, die nicht in dieser Verfassung ist? Natürlich nicht. Wir würden beide Tötungsdelikte als gleichermaßen schuldhaft betrachten, weil in beiden Fällen Menschen ihres Lebens beraubt wurden, das für sie von Bedeutung war. Das Leben eines Huhns ist für es ebenso kostbar wie mir das meine oder der Person mit Amnesie das ihre.
Überdies wäre, nach Singers Analyse, das Leben eines Menschen, der mehr Hoffnungen und Wünsche hat, mehr wert als das eines Menschen, der weniger hat. Also ist das Leben eines an Depressionen Leidenden, der möglicherweise nicht besonders erwartungsvoll in die Zukunft schaut oder für diese plant oder das Leben einer Person, deren Hoffnungen und Wünsche sich auf die nächste Mahlzeit oder einen Platz zum Schlafen richten, weniger wert als das, sagen wir eines Princeton-Professors, der jede Menge Hoffnungen und Wünsche für die Zukunft hat.
Singers Bemerkungen spiegeln – einmal mehr – die Ansicht des Tierschutzes wider, dass unsere Nutzung von Tieren nicht das hauptsächliche oder überhaupt ein moralisches Problem ist, weil, dieser Ansicht zufolge, Tiere tatsächlich kein Interesse an ihrem Leben haben. Das heißt, Tierschützer halten an der Auffassung fest, dass Tiere ein Interesse, nicht zu leiden, haben; da sie aber mangels Hoffnungen und Zukunftswünschen kein Interesse an fortgesetztem Leben haben, können wir sie für unsere Zwecke nutzen, solange wir sie ''human'' behandeln. Singer akzeptiert zweifelsfrei das Tierschutz-Prinzip, dass Tiere von geringerem moralischem Wert als Menschen sind. Er verwirft eindeutig, ausdrücklich und wiederholt das Konzept von Tierrechten trotz seines Anspruchs – den er in seinem Interview nochmals erhebt –, er habe ''eine Tierrechtsbewegung zu schaffen'' gesucht.
Singers Aussagen in diesem Interview stellen nichts Neues dar. Er sagt diese Dinge seit Jahren, angefangen von Animal Liberation, einem Buch, dass nicht von Tierrechten handelt, aber Singer den Titel ''Vater der Tierrechtsbewegung'' eingetragen hat. Es ist allerdings nicht weniger als erstaunlich, dass so viele Anwälte der Tiere behaupten, es gebe keine wirklichen Unterschied zwischen Singers Position und dem abolitionistischen Tierrechtsansatz.
Jenen, die die Unterschiede nicht sehen, drücke ich meine ernste und tief gehende Bestürzung aus.
Gary L. Francione
©2009 Gary L. Francione
Nachtrag 22.März 2009
Gestern erhielt ich eine Email mit folgender Bemerkung:
Kürzlich hörte ich einen Vortrag von Peter Singer. Ich war verblüfft und entsetzt, ihn ausdrücklich erklären zu hören, dass Tiere zu töten nicht speziesistisch ist, wenn es schmerzlos geschieht. Ich habe einiges von Ihrem Werk gelesen und lehne diese Behauptung natürlich ab. Ich verließ den Vortrag zornig und enttäuscht. Ist dies wirklich der Autor der ''Bibel'' der ''Tierrechtsbewegung'', der den Menschen erzählt, es ist OK, Tiere zu töten?Wie ich in dem vorausgehenden Essay feststellte, sollte niemand überrascht oder schockiert darüber sein, dass Singer das Töten von Tieren nicht als per se verwerflich ansieht. Er vertritt diese Ansicht seit mindestens den letzten 33 Jahren – seit er Animal Liberation schrieb. Singer betrachtet das Töten von Tieren nicht als speziesistisch, weil er nicht denkt, dass Tiere ein Interesse am Weiterleben haben, so dass wir ihnen keinen Schaden zufügen, wenn wir sie schmerzlos töten. Wie ich oben (und an anderer Stelle) argumentiere, beruht Singers Ansicht, dass dies nicht speziesistisch ist, auf der eindeutig speziesistischen Voraussetzung, dass Tiere nur dann ein Interesse am Weiterleben haben können, wenn sie über die Art reflexiven Selbst-Bewusstseins verfügen, die wir mit normalen menschlichen Erwachsenen assoziieren.
Was überraschend und schockierend ist, ist der Umstand, dass eine ''Tierrechtsbewegung'' Animal Liberation als '''Bibel' der modernen Tierrechtsbewegung'' anpreist oder Singer als ''Vater der modernen Bewegung für Tiere'' begrüßt und fördert.
Viele kritisieren Singer, weil er seine Sichtweise als ''Tierrechtsposition'' charakterisiert. Das sollte er sicherlich nicht tun, da es nicht zutreffend ist; er weiß das und hat es bei einer Reihe von Gelegenheiten ausdrücklich eingeräumt. Aber die hauptsächliche Verantwortlichkeit liegt auf Seiten von Anwälten der Tiere, die sich augenscheinlich niemals die Mühe gemacht haben, Animal Liberation zu lesen, bevor sie das Buch zur ''Bibel'' kürten und die sich jedenfalls nicht die Zeit genommen haben, kritisch über die Bedeutung von ''Tierrechten'' nachzudenken.
Niemals zuvor in der Geschichte der Menschheit war eine soziale Bewegung so verdreht.
Gary L. Francione
© 2009 Gary L. Francione
Monday, 2 March 2009
Geburtsschäden: Vegane Ernährung oder einfach nicht genug Vitamin B12?
von Gary L. Francione Blog
Ich las einen Artikel im heutigen Telegraph, einer britischen Zeitung, mit dem Titel: ''Vegane Ernährung erhöht das Risiko von Geburtsschäden, warnen Wissenschaftler.'' Der Untertitel lautet: ''Frauen mit strikt vegetarischer oder veganer Ernährung haben möglicherweise ein größeres Risiko, ein Kind mit Geburtsschäden zu bekommen, weil sie wahrscheinlich einen Vitamin B12-Mangel haben. '' Der Artikel diskutiert eine neue Studie, erschienen im Journal Pediatrics.
Abgesehen vom Titel und Untertitel des Artikels gibt es jedoch keine weitere Erwähnung von Veganismus oder Vegetarismus.
Also ging ich auf die Website meiner Universitätsbibliothek, um die Studie herunterzuladen, aber sie war noch nicht verfügbar, da die Ausgabe des Journals, in dem sie steht, gerade erst erschienen ist. Aber ich konnte eine Inhaltsangabe der Studie online finden.
Interessanterweise enthält die Inhaltsangabe nicht einmal das Wort ''vegan'' oder ''vegetarisch''. Diese Begriffe erscheinen nicht im Verzeichnis der Schlagworte, die den Autor beschreiben.
Wir werden warten und sehen müssen, was die Studie tatsächlich sagt, aber wenn die Autoren mit der Beschreibung in der Inhaltsangabe nicht schlechte Arbeit geleistet haben (was durchaus möglich ist), so scheint es, als ob die Studie lediglich eine Korrelation zwischen einem niedrigen B12-Spiegel und bestimmten Geburtsdefekten aufzeigt und sich nicht auf vegane Ernährung und B12 konzentriert. Im Allgemeinen und wie der Telegraph-Artikel feststellt, sind Frauen gut beraten, sicherzustellen, dass der Folsäurespiegel während der Schwangerschaft hoch genug ist, um gegen diese Geburtsdefekte zu schützen. Der Artikel in dem Journal scheint keine Anklageschrift gegen eine vegane Ernährung zu sein; vielmehr scheint er geltend zu machen, dass ein ausreichender B12-Spiegel das Risiko jener Geburtsdefekte weiter senken kann.
Alle Veganer wissen auf genügend B12 in ihrer Ernährung Acht zu geben (oder sollten es). Dies kann auf vielfache Weise geschehen, einschließlich des Verzehrs bestimmter Nahrungsmittel, die B12 enthalten oder damit angereichert sind. Schwangere Frauen, ob sie vegan leben oder nicht, müssen auf ihren Folsäurespiegel und, wenn die Studie Recht hat, auf ihr B12-Niveau achten. Veganer müssen Sorge tragen, dass sie ihr B12 aus pflanzlichen Quellen beziehen, ebenso wie Konsumenten von Tierprodukten sicherstellen müssen, dass sie eine ausreichende Versorgung aus Fleisch haben. In jedem Fall ist es allerdings unverantwortlich, zu suggerieren, dass vegane Ernährungsformen mit Geburtsschäden korrelieren.
Vegane Ernährung kann sicherlich Gesundheitsprobleme mit sich bringen. Ich könnte mir vorstellen, dass jemand, wenn er nichts anderes als dreimal täglich Rosenkohl äße, schädliche Folgen erlitte. Doch das träfe auch auf denjenigen zu, der jeden Tag nichts anderes als Steak äße.
Es ist unzureichende und nicht vegane Ernährung, die mit Geburtsdefekten korreliert.
Jene, die behaupten, vegan zu essen sei nicht ''natürlich'', weil Veganer um B12 besorgt sein müssen, mögen bitte bedenken, dass jeder um B12 besorgt sein und irgendetwas essen muss, um es zu bekommen. Ich konsumiere Nährhefe, Fleischesser konsumieren Fleisch. Zu sagen, Nährhefe sei weniger ''natürlich'' als Fleisch, heißt, das zu Beweisende als feststehend zu betrachten.
Gary L. Francione
© 2009 Gary L. Francione
Ich las einen Artikel im heutigen Telegraph, einer britischen Zeitung, mit dem Titel: ''Vegane Ernährung erhöht das Risiko von Geburtsschäden, warnen Wissenschaftler.'' Der Untertitel lautet: ''Frauen mit strikt vegetarischer oder veganer Ernährung haben möglicherweise ein größeres Risiko, ein Kind mit Geburtsschäden zu bekommen, weil sie wahrscheinlich einen Vitamin B12-Mangel haben. '' Der Artikel diskutiert eine neue Studie, erschienen im Journal Pediatrics.
Abgesehen vom Titel und Untertitel des Artikels gibt es jedoch keine weitere Erwähnung von Veganismus oder Vegetarismus.
Also ging ich auf die Website meiner Universitätsbibliothek, um die Studie herunterzuladen, aber sie war noch nicht verfügbar, da die Ausgabe des Journals, in dem sie steht, gerade erst erschienen ist. Aber ich konnte eine Inhaltsangabe der Studie online finden.
Interessanterweise enthält die Inhaltsangabe nicht einmal das Wort ''vegan'' oder ''vegetarisch''. Diese Begriffe erscheinen nicht im Verzeichnis der Schlagworte, die den Autor beschreiben.
Wir werden warten und sehen müssen, was die Studie tatsächlich sagt, aber wenn die Autoren mit der Beschreibung in der Inhaltsangabe nicht schlechte Arbeit geleistet haben (was durchaus möglich ist), so scheint es, als ob die Studie lediglich eine Korrelation zwischen einem niedrigen B12-Spiegel und bestimmten Geburtsdefekten aufzeigt und sich nicht auf vegane Ernährung und B12 konzentriert. Im Allgemeinen und wie der Telegraph-Artikel feststellt, sind Frauen gut beraten, sicherzustellen, dass der Folsäurespiegel während der Schwangerschaft hoch genug ist, um gegen diese Geburtsdefekte zu schützen. Der Artikel in dem Journal scheint keine Anklageschrift gegen eine vegane Ernährung zu sein; vielmehr scheint er geltend zu machen, dass ein ausreichender B12-Spiegel das Risiko jener Geburtsdefekte weiter senken kann.
Alle Veganer wissen auf genügend B12 in ihrer Ernährung Acht zu geben (oder sollten es). Dies kann auf vielfache Weise geschehen, einschließlich des Verzehrs bestimmter Nahrungsmittel, die B12 enthalten oder damit angereichert sind. Schwangere Frauen, ob sie vegan leben oder nicht, müssen auf ihren Folsäurespiegel und, wenn die Studie Recht hat, auf ihr B12-Niveau achten. Veganer müssen Sorge tragen, dass sie ihr B12 aus pflanzlichen Quellen beziehen, ebenso wie Konsumenten von Tierprodukten sicherstellen müssen, dass sie eine ausreichende Versorgung aus Fleisch haben. In jedem Fall ist es allerdings unverantwortlich, zu suggerieren, dass vegane Ernährungsformen mit Geburtsschäden korrelieren.
Vegane Ernährung kann sicherlich Gesundheitsprobleme mit sich bringen. Ich könnte mir vorstellen, dass jemand, wenn er nichts anderes als dreimal täglich Rosenkohl äße, schädliche Folgen erlitte. Doch das träfe auch auf denjenigen zu, der jeden Tag nichts anderes als Steak äße.
Es ist unzureichende und nicht vegane Ernährung, die mit Geburtsdefekten korreliert.
Jene, die behaupten, vegan zu essen sei nicht ''natürlich'', weil Veganer um B12 besorgt sein müssen, mögen bitte bedenken, dass jeder um B12 besorgt sein und irgendetwas essen muss, um es zu bekommen. Ich konsumiere Nährhefe, Fleischesser konsumieren Fleisch. Zu sagen, Nährhefe sei weniger ''natürlich'' als Fleisch, heißt, das zu Beweisende als feststehend zu betrachten.
Gary L. Francione
© 2009 Gary L. Francione
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