Liebe KollegInnen,
im Frühjahr 2009 verkündete der in der New York Times zum Thema Essen schreibende Publizist Mark Bittmann, dass
[e]r.. den ganzen Tag lang vegan (isst). Aber nach etwa 6 Uhr abends ist alles drin.Und dann, im Juli 2009, gab Bittmann bekannt, dass er, im Training für den New York Marathon, dahingehend beraten worden sei, er brauche mehr tierisches Protein, und so
begann ich, ''konzentriertes Protein'' zu essen, gewöhnlich Tofu, eine Büchse Sardinen, ein Ei auf was immer ich sonst esse, oder etwas gleichermaßen Einfaches, direkt nach Touren von sechs Meilen oder mehr.Und heute informiert Bittmann uns, dass er noch einen Schritt weiter von Veganismus weg gemacht hat (von dem, was ohnehin kein Veganismus war), indem er, ein ''fast veganes'' Getreidegericht zum Frühstück zubereitend,
Fischsauce [hinzufügte] (nicht vegan, aber ein Teelöffel, und ich schwöre, das gab den Geschmack – obwohl es ohne OK gewesen wäre).Nun gibt es Tierrechtsleute, die darüber ziemlich außer Fassung sind. Wie kann Bittman behaupten, ein Veganer zu sein, wenn es so aussieht, dass er es zu keiner Tageszeit ist – vor oder nach 6 Uhr abends?
Es tut mir Leid, aber ich muss hier zur Verteidigung Bittmans sprechen.
Warum kann Bittman sich nicht ''Veganer'' nennen? Immerhin gibt es eine Menge nicht-veganer Tierrechtsleute, die das auch tun.
Nehmen Sie Peter Singer, der von vielen als ''Vater der Tierrechtsbewegung'' betrachtet wird.
In seinem IInterview vom Mai 2006 in Mother Jones stellt Singer fest:
[E]s gibt ein klein wenig Spielraum für Schwächen in unser aller Leben. Ich kenne einige Menschen, die zuhause vegan sind, aber wenn sie ausgehen, in ein schickes Restaurant gehen, erlauben sie sich den Luxus, an diesem Abend nicht vegan zu essen. Ich finde daran nichts wirklich Verkehrtes.
Ich esse kein Fleisch; ich bin seit 1971 Vegetarier. Ich bin schrittweise zunehmend vegan geworden. Ich bin weitgehend vegan, aber ich bin ein flexibler Veganer. Ich gehe nicht in einen Supermarkt und kaufe für mich selbst nichtvegane Sachen. Aber wenn ich auf Reisen bin oder Leute zuhause besuche, bin ich es durchaus zufrieden, vegetarisch statt vegan zu essen.Er bezeichnet es, konsequent vegan zu leben, als ''fanatisch'' und stellt fest:
Wenn ich für mich selbst einkaufe, ist das, was ich kaufe, vegan. Aber wenn ich reise und es schwer ist, an einigen Orten veganes Essen zu bekommen oder was auch immer, bin ich Vegetarier. Ich esse keine Eier, wenn sie nicht aus Freilandhaltung sind, aber ich esse Freilandeier. Ich bestelle kein Gericht mit viel Käse drauf, aber es macht mir nichts aus, wenn sagen wir ein indisches Gemüsecurry mit Ghee gekocht wurde.Tatsächlich argumentiert Singer, dass es Gelegenheiten gibt, bei denen wir die moralische Pflicht haben, keine Veganer zu sein:
Also wenn Sie mit jemandem in einem Restaurant essen und etwas Veganes bestellen, aber es wird mit etwas geriebenem Käse oder dergleichen serviert, dann machen Veganer manchmal einen Riesenaufstand und schicken es zurück, und das dürfte bedeuten, dass das Essen weggeworfen wird. Und ich denke, wenn Sie in Gesellschaft von Leuten sind, die nicht Veganer oder nicht einmal Vegetarier sind, dann ist es wahrscheinlich falsch, sich so zu verhalten. Es wäre besser, das Gericht zu essen, weil die Leute sonst denken: Oh mein Gott, diese Veganer...Singer bemerkt:
Es ist ziemlich schwierig, ein Allesesser mit gutem Gewissen zu sein und alle moralischen Probleme zu vermeiden, aber wenn Sie wirklich sorgfältig darauf achteten, nur Tiere zu essen, die ein gutes Leben hatten, dann könnte das eine vertretbare ethische Haltung sein.Er denkt, dass es moralisch akzeptabel ist,
im Luxus von Freilandeiern, oder möglicherweise sogar Fleisch von Tieren [zu schwelgen], die ein gutes Leben unter artgerechten Bedingungen hatten und die dann human auf dem Hof getötet werden. (The Vegan, August 2006).Fazit ist, dass Veganismus nur eine Art und Weise, Leiden zu vermindern, ist. Wenn Sie so essen, dass dadurch Leiden vermindert wird, dann brauchen Sie sich über die Inhaltsstoffe oder Zutaten dessen, was Sie essen, wirklich nicht groß Gedanken zu machen. Vegan Outreach stellt fest, dass die Ethik des Essens
kein Selbstzweck (ist). Sie ist kein Dogma, keine Religion, keine Liste verbotener Inhaltsstoffe oder unveränderlicher Gesetze – sie ist nur ein Instrument zur Bekämpfung von Tierquälerei und der Verminderung von Leiden.Dies spiegelt Singers Ansicht wider, dass es lediglich um Leiden geht. Er erklärt, dass die Leute unterstellen,
dass ich in Animal Liberation gesagt hätte, das Töten von Tieren sei stets falsch, und dies sei irgendwie das Argument dafür, vegetarisch oder vegan zu leben, gewesen. Aber wenn sie in Animal Liberation nachschauen, werden sie dieses Argument nicht finden.Laut einer nicht geringeren Autorität als Singer persönlich ist Veganismus nicht irgendeine Art Verpflichtung, keine Tierprodukte zu essen oder zu gebrauchen, vegan zu leben ist einfach eine Art und Weise, Leiden zu vermindern, ebenso wie käfig-freie Eier [Eier aus Bodenhaltung], größere Käfige und Boxen.
Wenn Bittman also seinen Konsum an Tierprodukten reduziert und dadurch Leiden vermindert, warum kann er nicht den ''Luxus'', ein paar Tierprodukte zu essen, genießen und es vermeiden, ''fanatisch'' zu sein, wie Singer rät, und sich dabei immer noch Veganer nennen?
Die Antwort ist ziemlich klar: er kann.
Was ist der Unterschied zwischen dem, was Bittman tut, und der Position, die Singer beschreibt als ''vegan zuhause, aber wenn sie in ein schickes Restaurant ausgehen, erlauben sie sich den Luxus, an diesem Abend nicht vegan zu sein.''
Es gibt keinen Unterschied.
Was ist der Unterschied zwischen Bittman und Singer, der käfig-freie Eier, Ghee etc. isst?
Es gibt keinen Unterschied.
Es ist also schlicht nicht vernünftig, Bittman zu kritisieren. Er folgt nur einfach den Fußstapfen derer, die ''Tierrechte'' vertreten.
Lassen Sie mich bitte festhalten, dass ich in keiner Weise die Aufrichtigkeit von Peter Singer, Vegan Outreach etc. in Frage stelle. Ich denke allerdings, dass ihre Ansichten furchtbar verdreht sind und ich widerspreche ihnen auf grundlegender Ebene.
Gary L. Francione
© 2009 Gary L. Francione
ANMERKUNG: Einige Leute haben mir geschrieben und mich gefragt, warum ich Mark Bittman verteidige, weil Fischsauce nicht vegan ist. Ich dachte zuerst, diese Leute machen Witze, aber es mag doch einige wirkliche Verwirrung bestehen.
Lassen Sie mich also klarstellen:Ich sage nicht, es sei OK, dass Mark Bittman Fisch oder irgendein anderes Tierprodukt isst Mir ging es darum dass Peter Singer, den viele Anwälte der Tiere als die Quelle aller Weisheit zur Tierethik ansehen, ein ''flexibler'' Veganer ist, der Tierprodukte isst, der von dem ''Luxus'', Fleisch und Eier zu essen, spricht und erklärt, das Essen von Tierprodukten sei eine statthafte ''Schwäche'' Mir ging es darum, dass wenn wir nicht beanstanden, wenn Singer das sagt, wir nicht anders reagieren sollten, wenn Bittman es sagt. Ich beanstande allerdings, was Singer sagt (und werde dafür als ''spaltend'' gebrandmarkt, weil Widerspruch nicht erlaubt ist). Ich habe hier Ironie gebraucht. Ich bitte um Verzeihung, wenn dies Verwirrung gestiftet hat.