Liebe KollegInnen,
Lassen Sie mich den folgenden Bemerkungen voranstellen, dass ich in keiner Weise die Redlichkeit der Einzelnen in Frage stelle, die an dem Ereignis, dass ich erörtern möchte, beteiligt waren. Der Zweck dieses Essays ist es, den Blick auf das zu richten, was ich als die sehr verdrehte und moralisch problematische Botschaft, die ein solches Ereignis einschließt, erachte.
Am Dienstag, den 21. Juli 2009, hielt The Humane Society of the United States eine Veranstaltung ab mit dem Zweck, prominente Küchenchefs und Restaurants dazu zu ermuntern, HSUS' Boykott kanadischer Meeresfrüchte als Druckmittel gegen die kanadische Regierung zur Beendigung des kommerziellen Robbenschlachtens zu unterstützen.
Einige Einzelheiten:
Die Veranstaltung wurde (laut HSUS) in dem als ''heißer Tipp'' gehandelten ''Glamour-Lokal Policy''abgehalten. Werfen Sie einen Blick auf Policys Speisekarte. Gibt es irgendein Tierprodukt, das nicht serviert wird? Ironischerweise enthält die Speisekarte Muscheln von der Prinz-Edward-Insel, von denen ich gedacht hätte, dass sie zu ''kanadischen Meeresfrüchten'' zählen.
Warum konnte HSUS die Veranstaltung nicht in einem veganen Restaurant abhalten, um die Botschaft zu bekräftigen, dass, obwohl der besondere Schwerpunkt dieser Veranstaltung das Robbenschlachten war, wir niemals eine Gelegenheit versäumen sollten, die Öffentlichkeit über ethischen Veganismus aufzuklären? Dies war eine verpasste Gelegenheit.
Ich sollte anmerken, dass laut HSUS
der Leitgedanke von Policy, ''Wahrheit, Liebe und Freiheit'', elegant auf ihre Wände gekritzelt ist und unsere Sache hinausschreit.Ich frage mich, ob es die Kühe, Kälber, Lämmer, Enten, Hühner, Fische etc. tröstet, dass ihre Körper an einem Ort serviert wurden, an dem ''Wahrheit, Liebe und Freiheit'' an der Wand steht.
Es gibt einige Verwirrung darüber, ob bei dieser Veranstaltung Essen serviert wurde und ob dieses Essen vegan war. Laut HSUS auf Twitter ''gab (es) nichts zu essen und der Eintritt war frei'' Aber laut Pamela's Punch
war das Essen toll und bot Häppchen wie gebratene grüne Tomaten mit Mais-Salza und Rosmarin-Crème fraiche mit Tapioca.Ich rief HSUS an und sprach mit der Person, die als Medienkontakt für die Veranstaltung auf der Liste stand. Ich fragte, ob es Essen gab und ob es vegan war. Mir wurde gesagt, dass Essen serviert wurde, aber die Kontaktperson konnte nicht sagen, ob es vegan war. Mir wurde ebenfalls mitgeteilt, dass das Essen von den teilnehmenden Küchenchefs bestimmt worden war und nicht von HSUS.
Die Veranstaltung wurde auch mit diversen Küchenchefs gesponsert, die, obwohl sie Fleisch, Fisch und praktisch jedes andere Tierprodukt servieren,
seit langem unter den entschiedensten Befürwortern von lokalen Landwirtschaftsbetrieben, human behandelten Tieren und des Gemeinwesens in der Region gehören.Tatsächlich wirbt einer der Sponsoren auf der Speisekarte:
Für Gerichte, die mit einem Sternchen markiert sind, wurden zertifiziert humane Tierprodukte verwendet. Sie entsprechen dem Anforderungen des Humane-Farm-Animal-Care-Program [Humanes Nutztier-Schutzprogramm], die nahrhaftes Futter ohne Antibiotika oder Hormone einschließen; Tiere werden mit Unterständen, Ruhezonen, ausreichend Platz und der Möglichkeit, ihren natürlichen Verhaltensweisen nachzugehen, aufgezogen.Zu mehr Informationen über den von HSUS und anderen Gruppen gemeinsam gesponserten Stempel der Billigung des Humane-Farm-Animal-Care-Program siehe meinen Essay über ''humane'' Labels.
Bei der Veranstaltung paradierten langbeinige Models vor dem samtenen Seil [entlang des roten Teppichs, um die Menge von den Stars fernzuhalten] im gleißenden Sonnenlicht.
Aber der verstörendste Aspekt dieser Veranstaltung betrifft das Konzept eines Boykotts, in dem ein empfindungsfähiger Nichtmensch als eine Trumpfkarte instrumentell gebraucht wird, um einen anderen zu retten. Es sollte angemerkt werden, dass der HSUS-Boykott keine einfache Sache ist:
Anmerkung: Von dem Verbot ausgenommen sind Produkte der von Innuit und anderen indigenen Völkern ausgeübten traditionellen Jagd. Es gibt drei getrennte Ebenen des Boykotts. Restaurants haben sich auf verschiedenen Ebenen verpflichtet: Alle kanadischen Meeresfrüchte; Meeresfrüchte von Robbenjagd treibenden Provinzen (Neufundland, Prinz-Edward-Insel, Neuschottland und Quebec); Schneekrabben von Kanada. Seitdem der Schützt-die-Robben-Meeresfrüchte-Boykott eingeleitet wurde, haben mehr als 600.000 Einzelpersonen und mehr als 5.000 Lebensmittelgeschäfte und Restaurants sich verpflichtet, einige oder alle kanadischen Meeresfrüchte zu meiden, bis die kommerzielle Robbenjagd für immer beendet ist.(Angesichts dessen, dass die Muscheln, die bei Policy serviert wurden, von der Prinz-Edward-Insel stammten und dass hier die Innuit-Ausnahme keine Anwendung findet, nehme ich an, dass Policy den drittklassigen ''Schneekrabben-Boykott'' unterschreibt.)
Die Ausnahmeregelungen auf mehreren Ebenen etc. einmal beiseite lassend, bin ich zutiefst enttäuscht darüber, dass Anwälte der Tiere es als legitim erachten, ein Tier als politisches Druckmittel einsetzen, um ein anderes zu retten. Der HSUS-Boykott unterstellt stillschweigend, dass (1) Fische und andere aquatische Tiere keinen ihnen innewohnenden Wert haben und lediglich etwas sind, das instrumentell dazu benutzt werden kann, solchen Tieren zu helfen, denen wir einen Wert beimessen; (2) dass es zulässig ist, weiterhin nicht-kanadische Meeresfrüchte zu essen; (3) dass es zulässig wäre, kanadische Meeresfrüchte zu essen, wenn es kein Robbenschlachten gäbe, und (4) wenn das nicht von Innuit veranstaltete Robbenschlachten beendet ist (oder reguliert in einer Weise, die es Anwälten der Tiere erlaubt, einen Sieg zu verkünden), der Boykott eingestellt und es wieder zulässig sein wird, kanadische Seetiere zu essen. Fische mögen nicht so ''süß'' wie Robben sein, aber sie wertschätzen ihr Leben genauso sehr wie Robben das ihre.
Darüber hinaus servieren die Küchenchefs, die zusammen mit HSUS die Veranstaltung organisiert haben, Fleisch und andere Tierprodukte in ihren Restaurants. Was ist der Unterschied zwischen der Kuh oder dem Lamm oder dem Huhn, das dort auf dem Teller liegt, und den Robben, gegen deren Abschlachtung sie eintreten? Es gibt natürlich keinen Unterschied. Nicht den geringsten.
HSUS hat ein Video [siehe den Link auf ''video'' im Originaltext] über diese Veranstaltung herausgebracht, und das ist ein wahres Meisterstück moralischer Konfusion. Mehrere Küchenchefs werden interviewt, die das ''barbarische Abschlachten eines schutzlosen Tieres'' und das ''inhumane Töten jeglicher Tiere'' verurteilen. Das bezieht sich natürlich auf die Robben, nicht auf die von diesen Köchen gekochten und servierten Tiere. Wäre es nicht so unendlich tragisch, das Ausmaß moralischer Gespaltenheit wäre komisch. Es ist meine aufrichtige Hoffnung, dass diese Küchenchefs, die so besorgt um die Robben in Kanada sind, dahin gelangen, die moralische Bedeutung der Tiere erkennen, deren Körper und Produkte sie in ihren D.C.-Restaurants anbieten.
Ich finde diese Art des Zugangs zu Tierethik in höchstem Maß bestürzend. Zusätzlich zu dem, was ich als das offenkundige moralische Problem ansehe, denke ich, dass die Botschaft, die damit gesendet wird, rein praktisch gesehen eine sehr verdrehte und verwirrende ist. Wir sollen den Verzehr bestimmter Fische einstellen, um das nicht von Innuit verübte Robbenschlachten zu beenden, während wir uns gleichzeitig alle an dem Schlachten anderer Tiere beteiligen, die sich in nichts von den Robben unterscheiden, die wir zu retten suchen – außer dass ihre Ausbeutung uns einen wirtschaftlichen Nutzen bringt, während das Robbenschlachten denen einen wirtschaftlichen Nutzen bringt, die nichts mit amerikanischen Tierschutzgruppen zu tun haben.
Gary L. Francione
© 2009 Gary L. Francione
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