Unter den vielen Nachrichten über verschiedene, auf das Thema Tiere gerichtete Veranstaltungen und Konferenzen, die ich erhalte, war die Ankündigung einer von der Tierschutzgruppe United Poultry Concerns gesponserten Konferenz mit dem Titel: "Käfig-frei, tierfreundlich, vegan leben – was ist das Problem?"
Laut Ankündigung wird die Konferenz der Frage nachgehen:
Sollten Aktivisten daran arbeiten, das Leiden von Milliarden Hühnern und anderer Tiere zu vermindern, die niemals eine vegane Welt erleben werden, oder ist solche Arbeit kontraproduktiv – ein moralischer Betrug an den Tieren?Diese Frage unterstellt, dass Tierschutzreformen das Leiden von Tieren in bedeutsamer Weise vermindern und uns schrittweise zu einer veganen Welt führen. Es gibt nichts, was diese Annahme stützt.
Wie ich in meinem Essay Die vier Probleme des Tierschutzes dargelegt habe, bieten Tierschutzreformen keinen bedeutenden Schutz für Tiere, Tierschutzmaßnahmen lassen die Öffentlichkeit sich bei der Tierausbeutung wohler fühlen und dies bestärkt die fortgesetzte Tiernutzung, Tierschutz leistet nichts, um den Eigentumsstatus von Tieren zu beseitigen und für Tierschutzreformen verwendete Zeit und verwendetes Geld bedeuten weniger Zeit und Geld für die Förderung des Veganismus. Es gibt keinen empirischen Beleg dafür, dass Tierschutzreformen schrittweise zur Abschaffung der Tiernutzung oder auch nur zu merklich verminderter Tiernutzung führen. Die Tierschutzethik ist das herrschende Paradigma; wir haben Tierschutzgesetze seit 200 Jahren. Und wir nutzen mehr Tiere und in schrecklicherer Weise als zu irgendeiner Zeit in der Geschichte der Menschheit.
Jene Frage unterstellt ebenfalls, dass Abolitionisten, die Tierschutzreformen ablehnen, kein Programm für die Verminderung von Tierleid haben, während wir uns in Richtung Abschaffung der Tiernutzung bewegen. Diese Unterstellung ist ebenso falsch.
Der abolitionistische Ansatz muss sich darin, den Veganismus als einzige moralisch akzeptable Grundlinie der Tierrechtsbewegung ausdrücklich und vorbehaltlos zu fördern, mit Volldampf voraus bewegen. Je mehr Menschen den Veganismus annehmen, um so geringer ist die Nachfrage nach Tierprodukten; je weniger Tiere für den menschlichen Konsum produziert werden, um so weniger Tierleid gibt es. Und anders als der Ansatz des Tierschutzes, der den Eigentumsstatus der Tiere verstärkt und der Öffentlichkeit ein gutes Gefühl bei der Tiernutzung vermittelt, macht der vegane Ansatz deutlich, dass wir keine moralische Rechtfertigung dafür haben, Tiere auszubeuten – wie "human" auch immer die Behandlung sei mag. Abolitionismus strebt einen Paradigmenwechsel an; Tierschutz bleibt durchdrungen vom und verstrickt in den Status Quo.
Die Ankündigung der Konferenz fragt außerdem:
Und was ist mit Begriffen wie "Bio-Fleisch", "Mitgefühl-Standards" und "Sieg"? Welche Botschaft senden sie der Öffentlichkeit?Diese Frage bezieht sich auf die Tatsache, dass Tierschützer in den USA und GB Labels fördern, die der Öffentlichkeit versichern, dass die Leichen und Tierprodukte, die sie kauft, auf "humane" Art und Weise produziert worden sind. Das heißt, die Tierschützer haben sich mit der Tierausbeutungsindustrie zusammengetan, um eine Partnerschaft zu bilden, die einschließt, dass die Tierschützer ihren "Stempel der Billigung" auf Fleisch, Milchprodukte und Eier drücken.
Zum Beispiel gibt es in GB das Freedom-Food-Label [Freiheitsnahrung], in den USA gibt es das Certified-Humane-Raised-and-Handled-Label [Zertifiziert human aufgezogen und behandelt] sowie das Animal-Compassionate-Label [Mitgefühl für Tiere], vermarktet von Whole Foods Market [Bio-Supermarktkette].
Eine solche Strategie kann nur in eine Richtung führen – Tierausbeutung akzeptabler zu machen.
Und wer sind die Sprecher auf der United-Poultry-Konferenz, die eine "Diskussion" der Streitfrage von Labels und der Wünschbarkeit von Tierschutzreformen liefern werden?
Werfen wir einen Blick auf das Aufgebot an Rednern:
— Karen Davis vom Verein United Poultry Concerns, der "die mitleidige und respektvolle Behandlung von heimischem Geflügel" fördert sowie Tierschutzgesetzgebung, "käfig-freie" Eier [Eier aus Bodenhaltung) und größere Käfige für Batteriehühner unterstützt;
— Harold Brown, früher von Farm Sanctuary, Bruce Friedrich von People for the Ethical Treatment of Animals und Christine Morrissey, allesamt Unterstützer des Animal-Compassionate-Standards von Whole Foods;
— Paul Shapiro von der Humane Society of the United States, die ein Co-Sponsor des Certified- Humane-Raised-and-Handled-Labels ist, den Animal-Compassionate-Standard unterstützt und gnadenlos "käfig-freie" Eier und andere Formen von Tierschutzpolitik fördert;
— Roberta Schiff von der Mid-Hudson Vegetarian Society, die ineffektive Tierschutzreformen wie das beantragte "Verbot" von Foie Gras (Gänsestopfleber) in New York und das Werk von Michael Pollan fördert, einem der Hauptarchitekten der "Bio-Fleisch"-Bewegung, und
— Patty Mark von Animal Liberation Victoria, die Tierschutzreformen ablehnt und diese Bemühungen, Tod und Elend als "human" zu etikettieren, als inakzeptabel betrachtet.
Sechs dafür, eine dagegen. Sehr ausgewogen.
Wir können deshalb die Frage "Was ist das Problem?" wie folgt beantworten.
Das Problem ist die Annahme, dass die Reform des Tierschutzes funktioniert.
Das Problem ist die Annahme, dass der abolitionistische Ansatz kein wirksames Programm für die schrittweise Verminderung von Tierleid habe, das die Nachfrage nach Tierprodukten sinken lässt.
Das Problem ist, der Öffentlichkeit mitzuteilen, dass Sie eine "Diskussion" über diese Streitfragen führen werden, während was Sie tatsächlich tun, darin besteht, die Tierschutzpropaganda zu präsentieren, die, wie die Konferenzankündigung klarmacht, den abolitionistischen Ansatz verdreht und verzerrt.
Gary L. Francione
© 2008 Gary L. Francione
P. S. Nachdem dieser Essay gepostet worden war, erhielt ich eine Email von Harold Brown. Er stellte unter anderem fest: "Es ist wahr, dass ich für Farm Sanctuary gearbeitet habe, aber ich habe vor einigen Monaten gekündigt, weil ich als Stimme für Tierrechte in eine Sackgasse geraten war." Er sagte auch, er sei "nun als abolitionistischer Fundamentalist etikettiert, und man setzt meine Ideen in einem Atemzug mit Ihren gleich." Und: "Ich bin ein Abolitionist und werde nicht klein beigeben vor der Orwellschen Rhetorik und Übertreibung, die diese Organisationen verbreiten..."
Vielleicht also wird Patty Mark auf dieser Feier des Tierschutzes nicht allein sein.