von Gary L. Francione Blog
Paola Cavalieri, zusammen mit Peter Singer Herausgeberin von The Great Ape Project. Equality Beyond Humanity hat einen Essay über die kürzliche Erschießung eines etwa vierzigjährigen Schimpansen, Johnny, im Whipsnade Zoo in Bedfordshire, nördlich von London, geschrieben.
Cavalieri zufolge wurde Johnny erschossen, weil er, wie es ein Zoowärter beschrieb, “ein kleiner Gangster” war. Die
Times behauptet, dass Johnny und ein anderer Schimpanse, Koko, geflüchtet waren; Koko “ergab sich einem Wärter in einem nahe gelegenen Feld”, während Johnny dies offenbar nicht tat, und es wurde beschlossen, ihn aus Gründen der “öffentlichen Sicherheit” zu erschießen.
Die Erschießung Johnnys ist in jedem Fall eine schreckliche Tragödie – auf mehreren Ebenen. Erstens verbrachte Johnny Jahrzehnte seines Lebens in einem Zoo, der – unter den besten Umständen – nichts anderes als ein jämmerliches Gefängnis für die dort gefangen gehaltenen Tiere ist. Bevor sie letztes Jahr nach Bedfordshire verbracht wurden, waren Johnny und Koko im Regent’s Park Zoo in London eingesperrt. Es gibt schlicht keinen Vergleich zwischen dem natürlichen Leben von Schimpansen und den Bedingungen, unter denen sie in diesen nichtmenschlichen Freakshows, die wir Zoo nennen, gehalten werden. Zweitens ist es nicht klar, warum, wenn Johnny gegen seine Wiederergreifung Widerstand leistete, auf ihn nicht mit einem Betäubungsgewehr geschossen werden konnte, obwohl einige sagten, dass er immer noch eine Gefahr für Zoobesucher dargestellt hätte, bevor das Betäubungsmittel hätte wirken können.
Cavalieri ist darauf bedacht, den “hierarchischen Ansatz” zurückzuweisen, dass “das reichere innere Leben von Menschen sie zu stärkerer moralischer Berücksichtigung berechtigt.” Ein solcher Ansatz, argumentiert sie, würde dazu führen zu sagen, dass “wir intellektuell beeinträchtigte Menschen anders behandeln können.” Aber ihr Hauptargument ist, dass “Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans.. unsere nächsten Verwandten (sind), die 98 – 99% unserer DNA mit uns teilen, und ‘Menschenaffe‘ (1) .. nur solange eine natürliche Kategorie (ist), solange sie Menschen einschließt.”
Cavalieri argumentiert, dass Schimpansen “uns gleich” sind insofern sie kognitiv wie wir sind und unser “reicheres inneres Leben” teilen. Sie sind fähig zu komplexer Kooperation und sozialer Manipulation, zu kultureller Übertragung einschließlich des Lehrens von Fertigkeiten wie das Herstellen und den Gebrauch von Werkzeug, verfügen über Vernunft, “dieses lange begünstigte Merkmal unserer Überlegenheit”, bedienen sich symbolischer Kommunikation und sie haben ein reflexives Selbst-Bewusstsein.
Ich habe vier Antworten auf Cavalieris Analyse:
Erstens ist es problematisch zu unterstellen, dass Menschen ein “reicheres inneres Leben” hätten, und dass Tiere in irgendeiner Weise “intellektuell beeinträchtigten Menschen” gleichzustellen seien. Jede Spezies hat eine Art Leben, das durch die Angehörigen dieser Spezies bewertet wird. Ich habe keine Ahnung, ob meine vor der Tötung geretteten Hunde ein Leben haben, das weniger “reich” als das meine ist. Ich weiß nicht einmal, was das heißt. Mein inneres Leben mag verschieden von dem eines Hundes oder einer Maus sein, aber das bedeutet nicht, dass mein Leben “reicher” ist.
Ich verstehe durchaus das Argument, dass wir, falls der Mangel eines moralisch überlegenen Merkmals bei einem Tier uns dazu berechtigt, diesem eine geringere oder keine moralische Berücksichtigung zuzusprechen, jenes Merkmals gleichermaßen entbehrende, wie etwa “intellektuell beeinträchtigte”, Menschen in derselben Art und Weise behandeln müssten, wollen wir nicht speziesistisch sein.
Das Problem ist aber, dass wir von Anbeginn unterstellen, dass Menschen moralisch überlegene Eigenschaften haben, und dass menschliches Leben deshalb “reicher” als nichtmenschliches Leben ist. Dies ist ein gewöhnlicher Trugschluss auf Seiten vieler Tierethiker, einschließlich Tom Regan. Wie ich in einem Essay im New Scientist diskutiert habe, gibt es keinen Grund dafür, anzunehmen, dass Eigenschaften, die als einzigartig menschlich begriffen werden, uns zu der normativen Schlussfolgerung berechtigen, dass die Inhaber solcher Eigenschaften ein “reicheres” Leben hätten.
Zweitens stellt der “hierarchische Ansatz” kein Problem für Utilitaristen wie [Peter] Singer dar, die gewillt wären, “intellektuell beeinträchtigten” Menschen geringere moralische Berücksichtigung zu gewähren.
Drittens deutet die Tatsache, dass jeder seit langem verstanden hat, wie ähnlich uns Schimpansen und andere Menschenaffen sind, und dass wir [dem zum Trotz] immer noch fortfahren, ihre Verdinglichung zu unterstützen, darauf hin, dass “Gleichartigkeit” ein äußerst schwer zu fassendes Konzept ist, das nicht viel bewegt in Richtung einer Änderung menschlichen Verhaltens. Wie ich in Introduction to Animal Rights: Your Child or the Dog? argumentiert habe, ist das Spiel mit der “Gleichartigkeit” eines, das Tiere niemals gewinnen können. Sie werden niemals als des “speziellen” Charakteristikums in jenem Grad teilhaftig angesehen werden, der notwendig wäre, uns zu veranlassen, ihre Ausbeutung zu beenden, wenn wir damit fortfahren wollen.
Wir vergeuden unsere Zeit damit zu denken, die Lösung des Problems der Tierausbeutung bestehe darin, dass Verhaltensforscher Experimente machen, die, ironischerweise, Vivisektion einschließen mögen, um zu zeigen, zu welchem Grad Menschenaffen und andere Primaten, Delfine, Papageien usw. über ein “spezielles” Charakteristikum verfügen. Empirische Gleichartigkeit ist wirklich nicht das Problem; das Problem ist Moraltheorie. Jane Goodall, die das Eingangskapitel zu The Great Ape Project schrieb, weiß besser als irgendeiner von uns, wie ähnlich Menschenaffen Menschen sind;(2) dennoch ist sie nicht gewillt, die Verwendung von Menschenaffen in der biomedizinischen Forschung unzweideutig zu verdammen und zu seiner sofortigen Abschaffung aufzurufen.
Viertens: Wie ich in meinem Kapitel in The Great Ape Project argumentierte und seither wiederholt gesagt habe, ist das Recht auf volle Mitgliedschaft in der moralischen Gemeinschaft und das Recht, nicht als Eigentum behandelt zu werden, von nur einer Eigenschaft abhängig – Empfindungsfähigkeit. Wenn ein Tier empfindungsfähig ist, dann haben wir die moralische Verpflichtung, dieses Wesen nicht als eine Ressource oder Ware zu behandeln. Der Umstand, dass ein Hund nicht dieselbe Art reflexiven Selbst-Bewusstseins wie ein Schimpanse haben mag, bedeutet nicht, dass der Hund und der Schimpanse nicht gleich wären in dem Sinne, dass ihre fundamentalen Interessen zu leben und nicht zu leiden nicht zu missachten sind, nur weil es zu jemandes Vorteil ist.
In Zoos (und an vielen, vielen anderen Orten) werden Tiere jeden Tag aus verschiedenen Gründen getötet. Die Erschießung des armen Johnny ist zweifellos tragisch, aber dies ist gleichermaßen der Tod von Tieren, die uns nicht “gleich” sind in der Art, in der es Johnny war, abgesehen davon, Wesen zu sein, die ein subjektives Bewusstsein hatten, und die ihr Leben in ihrer eigenen Art und Weise schätzten.
Werden Sie VeganerIn, unterstützen Sie niemals Zoos, und widerstehen Sie der Schaffung neuer Hierarchien, die auf humanozentrischen Werten gegründet sind. Menschen sind nicht das Maß aller Dinge; wir sind nur ein Maß unter vielen.
Gary L. Francione
© 2007 Gary L. Francione
Anm. d. Übers.
1 lat. Hominoidea; im Orig.: “great apes”; der Begriff umfasst große Menschenaffen und Menschen.
2 Im Orig.:“how similar nonhuman great apes are to human great apes”, s. Anm. 1