Monday, 1 February 2010

Einzeltthema-Kampagnen im Kontext von Mensch & Tier

von Gary L. Francione Blog

Liebe KollegInnen,

gestern Abend erhielt ich die folgende Mail als Reaktion auf meine Blogposts zu Einzelthema-Kampagnen:
Prof. Francione:
Wenn Einzelthema-Kampagnen [nachfolgend ETK] nicht gut sind, heißt das dann, dass wir keine Bemühungen, dem Leidenden in Haiti zu helfen, unterstützen sollten, weil wir nicht den Leidenden überall helfen? Führt das nicht dazu, gar nichts zu tun?
[Name]
Das ist eine gute Frage.Ich habe mich schon früher mit ihr befasst, aber im Licht meiner kürzlichen Postings ist es gut, sie erneut anzusprechen.

Wenn wir die Bemühungen in Haiti unterstützen, dann treffen wir damit keinerlei Aussage, dass das Leiden anderswo gut ist. Wir alle erkennen an, dass das Leiden unschuldiger Menschen etwas Schlechtes ist, wo immer es auftritt. Die Tatsache, dass wir in Haiti helfen, bedeutet nicht, dass wir denken, das Leiden von Menschen in sagen wir Darfur sei gut oder dass die in Darfur Leidenden eine geringere Rolle spielen. In gleicher Weise bedeutet die Tatsache, dass wir uns entscheiden, am Problem des Kindesmissbrauchs zu arbeiten, nicht, dass wir denken, Vergewaltigung von Frauen sei akzeptabel oder moralisch weniger verwerflich.

Kurz gefasst, wenn X, Y und Z sämtlich als moralisch unerwünscht gesehen werden, dann vermittelt die Entscheidung, an der Behebung von X zu arbeiten, nicht die Botschaft, Y und Z seien moralisch akzeptabel.

Wenn es um Tiere geht, fällt die Analyse anders aus. Die meisten Menschen denken, dass Fleisch, Milch und alle anderen Tierprodukte zu essen, als Kleidung oder anderweitig zu gebrauchen so natürlich wie Wasser trinken und Luft atmen ist. Wenn wir eine Form von Tierausbeutung hervorheben, unterscheiden wir sie damit zwangsläufig moralisch von anderen Formen der Tierausbeutung.

Das heißt, wenn die meisten Menschen denken, dass das Essen von Fleisch, Milch und Eiern ''natürlich'' ist und kein moralisches Problem aufwirft, vermittelt es, sich auf Fleisch zu konzentrieren, unvermeidlicherweise die Vorstellung, Milch und Eier zu konsumieren sei etwas anderes und moralisch akzeptabel oder zumindest von Fleischkonsum moralisch unterscheidbar.

Kurz gefasst, wenn X, Y und Z als moralisch unproblematisch gesehen werden und Sie X als moralisch problematisch herausgreifen, dann sagen Sie damit der Öffentlichkeit indirekt, dass Y und Z etwas Anderes als X und nicht moralisch [ebenso] unannehmbar oder zumindest dass Y und Z von X moralisch unterscheidbar sind.

Wir sehen dieses Problem jeden Tag: Die Menschen denken, dass Pelz moralisch schlimmer als Leder, Wolle oder Seide ist; sie denken, dass Fleisch moralisch schlimmer als andere Tierprodukte ist.

Das ist das Problem von ETK im Kontext der Tierausbeutung. Das gleiche Problem besteht nicht, wenn es um Menschen geht.

Und wir brauchen keine ETK, um uns in schrittweisem Aktivismus zu betätigen. Es gibt etwas, das jeder von uns tun kann, jeden Tag: Leben Sie vegan und engagieren Sie sich in kreativer, gewaltloser Aufklärung über Veganismus.

Wenn Sie sich an ETK beteiligen wollen, stellen Sie bitte zumindest sicher, dass die Botschaft ''keine Ausbeutung'' klar ist. Wenn ein Zirkus in die Stadt kommt und Sie gegen dieses Ereignis protestieren wollen, achten Sie wenigstens darauf (zusätzlich dazu, friedlich und gewaltlos in Ihrem Protest zu sein), in Ihrer Literatur und in allen Ihren Diskussionen mit Leuten ausdrücklich einzuschließen, dass Zirkusse [mit Tieren] lediglich stellvertretend für das generelle Problem der Tierausbeutung sind und dass wir gänzlich aufhören sollten, Tiere zu essen oder für andere Zwecke zu nutzen. Gebrauchen Sie den Zirkus als ''Diskussionsthema'', aber stellen Sie ihn nicht als von anderen Formen der Tierausbeutung moralisch unterscheidbar dar.

DIE WELT IST VEGAN! Wenn Du es willst.


Gary L. Francione
©2010 Gary L. Francione