Wednesday 3 February 2010

Ist jede Kampagne eine Einzelthema-Kampagne?

von Gary L. Francione Blog

Liebe KollegInnen,

Als Antwort auf meine Kommentare (1, 2) zur Sache Johnny Weir und auf meinen allgemeinen Kommentar zu Einzelthema-Kampagnen [nachfolgend ETK] haben einige die Meinung bekundet, dass wenn es sich im Fall Johnny Weir um eine ETK handelt, dann alle Kampagnen, einschließlich der Förderung von Adoption / Rettung von Tieren und Gnadenhöfen und sogar Veganismus ETK sind.

Diese Meinung lässt einen tief gehenden Mangel an Verständnis dessen erkennen, was die Natur von ETK ausmacht. Diese besteht darin, eine bestimmte Form der Nutzung von Tieren oder eine bestimmte Art ihrer Behandlung zu identifizieren und zum Thema einer Kampagne mit dem Ziel zu machen, diese Nutzung zu beenden oder diese Behandlung zu ändern. Das Problem der ETK besteht darin, dass sie eine bestimmte Form der Nutzung oder Art der Behandlung von Tieren als von anderen moralisch unterscheidbar darstellt und, indem sie dies tut, suggeriert, dass andere Formen und Arten der Tierausbeutung moralisch weniger problematisch sind.

Die Sache Weir ist ein klassisches Beispiel dieses Problems. An ihn wurde ein Offener Brief gerichtet, der seinen Gebrauch von Pelz auf der Schulter seines Kostüms beklagte. Es war kein an das ganze Team gerichteter Offener Brief, die Verwendung von Tierhäuten betreffend, einschließlich Leder-Skates und jeglicher Woll- oder Seidenkleidung. Der Brief konzentrierte sich auf ein einzelnes Tierprodukt, von einer einzelnen Person in einem einzelnen Fall verwendet.

Das Hauptproblem mit dieser Art von Kampagnen ist, dass es keinen schlüssigen moralischen Unterschied zwischen Pelz und Leder, Wolle oder Seide gibt. Weir lenkte den Offenen Brief sehr wirkungsvoll um, indem er selbst diese einfache Beobachtung machte:
''Jeder Eiskunstläufer trägt Schlittschuhe, die aus Kuh gemacht sind'', sagte Weir.
''Vielleicht trage ich einen süßen kleinen Fuchs, während alle anderen Kuh tragen, aber wir alle ziehen immer noch Tierhaut an.''
Der Offene Brief war nicht nur eine ETK, sondern überdies eine im Kontext traditionellen Tierschutzes, weil in ihm von der Behandlung, nicht von der Nutzung von Tieren die Rede ist. Er konzentriert sich auf die ''Pelzindustrie'' und die Behandlung und das Töten von Tieren auf Pelzfarmen und in der Wildnis. Von Pelzfarmen und Fallen zu sprechen heißt, die Antwort herauszufordern: ''Okay, dann sollten wir einen Weg finden, Pelzproduktion 'humaner' zu machen.''

Was domestizierte Tiere und Wildtiere, die ein Zuhause brauchen, anbelangt, stellen Versuche oder Bemühungen, ein Zuhause für sie zu finden, keine ETK dar, zumindest nicht in der Weise, die auf die von mir aufgezeigten Probleme hindeutet. Durch die Domestikaion von Tieren haben wir sie in ein furchtbares Fiasko gebracht, und wenn wir sie von der Straße oder aus einem Tierheim (1) herausholen können, sollten wir dies tun. Soweit wir die Möglichkeit haben, einem Haustier oder Wildtier ein Zuhause zu geben, ist das eine gute Sache. Dies sind Bemühungen, einem einzelnen Tier zu helfen; es sind keine Kampagnen gegen Verwendungszwecke oder Praktiken [der Tiernutzung], welche wir als schlimmer als andere Verwendungszwecke oder Praktiken kennzeichnen, die wir aus den in meinem früheren Essay erörterten Gründen zwangsläufig stillschweigend billigen. Es handelt sich um qualitativ verschiedene Aktivitäten.

Und ich spreche von Tierrettung/ Adoption von Tieren immer innerhalb eines bestimmten Rahmens der Ablehnung von Tiernutzung und der Betonung von Veganismus als zentralem Thema. Ich sprechen nicht von Rettung und Adoption als einer isolierten Tätigkeit, sondern als nur einer Verpflichtung unter vielen, die der abolitionistische Ansatz insgesamt einschließt. Obwohl ich die Adoption von heimatlosen Tieren unterstütze, bin ich stets sehr deutlich darin, dass wir gänzlich aufhören sollten, Tiere zu produzieren und ihre Produktion zu erleichtern.

Der ''Offene Brief'' an Johnny Weir tut nichts dergleichen. Es wäre möglich gewesen, ihm einen Brief zu schreiben, der Pelz als einen Aspekt einer insgesamt abolitionistischen Botschaft erwähnt und ebenso das Tragen jeglicher Tierhäute ausdrücklich behandelt und Veganismus anspricht. Ein solcher Brief hätte eine machtvolle Botschaft präsentiert anstelle einer schwachen, die Pelz als etwas von Leder (oder den anderen, nicht einmal erwähnten Tierprodukten) moralisch Unterscheidbares erscheinen lässt und über den Weir in zwei Sätzen wirkungsvoll hinweggeht.

Ich unterstütze auch Gnadenhöfe, aber ich spreche von ihnen wiederum als Teil eines insgesamt abolitionistischen Ansatzes und ich fördere Gnadenhöfe, die eine ausdrücklich abolitionistische Botschaft vertreten. Soweit ein Gnadenhof Tieren ein Zuhause gibt, ist das eine gute Sache, aber soweit er außerdem Tierschutzreformen oder ETK fördert, macht er zumindest einen Teil des Guten, das er tut, zunichte.

Ich denke auch, dass Gnadenhöfe von wohlhabenden Gruppen zum Zweck des Spendensammelns benutzt werden können. Wenn Sie für einen Gnadenhof spenden wollen, sollten Sie seine Finanzen sondieren und sich nach den Gehältern erkundigen, die den Beteiligten der Organisation, welche den Gnadenhof betreibt, gezahlt werden.

Auch meinen einige Leute, dass wir die ETK von Gruppen, die einen Gandenhof betreiben, nicht kritisieren sollten, weil dies das Spendenaufkommen der Gruppe beeinträchtigen könnte, was den Tieren schaden würde. Dies ist eine Variante des allgemeinen Arguments, das wir die ganze Zeit hören: ''Gruppe X tut Gutes für Tiere, also kritisiere nicht, was Gruppe X sonst noch macht, weil dies ihren Bemühungen, Tieren zu helfen, schadet.'' Das ist sicherlich ein Rezept für Desaster und den Tod einer sozialen Bewegung. Es ist genau dieses Denken, das die Mainstream-Bewegung dahin geführt hat, in Schweigen zu verharren angesichts der Obszönität, dass PETA 85% der Tiere tötet, die vom Verein ''gerettet'' werden, und seines rücksichtslosen Gebrauchs von Frauenfeindlichkeit als einer Marketingstrategie.

Was Veganismus als ETK angeht, so weiß ich nicht recht, was ich sagen soll, enthüllt diese Vorstellung doch solch tief gehende Konfusion, dass es vielleicht unmöglich ist, sie abzubauen. Jedenfalls spreche ich, wenn ich von Veganismus spreche, davon, keinerlei Tierprodukt oder Produkt tierlicher Herkunft zu essen, als Kleidung oder anderweitig für menschliche Zwecke zu gebrauchen. Aber selbst wenn Sie ihr Verständnis von Veganismus auf ''vegane Ernährung'' beschränken, sprechen Sie sich immer noch für die Beseitigung einer Praktik aus, von der mehr Tiere betroffen sind als von allen anderen Formen der Tiernutzung zusammengenommen, weil jeder, der nicht vegan lebt, Tiere und Tierprodukte konsumiert.

Darüber hinaus leitet sich alle Tiernutzung davon ab, dass wir Tiere und Tierprodukte konsumieren. Wenn sich dies änderte, würde alles andere folgen. Zum Beispiel würde jemand, der die moralische Verpflichtung akzeptiert, keine Tiere oder Tierprodukte zu konsumieren, zwangsläufig ebenso akzeptieren, dass wir keinen Pelz tragen oder Zirkusse [mit Tieren] besuchen sollten. Deshalb unterscheidet sich Veganismus qualitativ von einer Anti-Pelz-Kampagne, die einen relativ kleinen Teil der Bevölkerung zur Zielscheibe macht, oder von einer Vegetarismus-Kampagne, die ausdrücklich oder stillschweigend Fleisch von anderen Tierprodukten unterscheidet und die Botschaft sendet, dass es OK ist, Milchprodukte und Eier zu konsumieren.

Ich hoffe, dies hilft, die Streitfrage von ETK zu klären. Sie funktionieren wirklich nicht und sie produzieren nur Konfusion, indem sie die falsche Vorstellung verstärken, bestimmte Formen von Tierausbeutung seien weniger moralisch verwerflich als andere.

DIE WELT IST VEGAN! Wenn Du es willst.


Gary L. Francione
©2010 Gary L. Francione

(1) Orig.''kill shelter'': Tierheim, das diejenigen Tiere tötet, die nicht (innerhalb eines bestimmten Zeitraums) vermittelt werden können.(Anm. d. Übers.)