Wednesday 9 April 2008

Ein "sehr neuer Ansatz" oder einfach mehr Neuer Tierschutz?

von Gary L. Francione Blog

Martin Balluch, ein österreichischer Anwalt der Tiere und Präsident des Vereins gegen Tierfabriken VGT)in Österreich, hat einen von ihm verfassten Essay in Umlauf gebracht, den er mir gegenüber als einen "sehr neuen Ansatz" zur Tierrechte/ Tierschutz-Debatte bezeichnet hat.

Balluchs Essay ist lang und stellenweise verworren, aber die Grundthese ist ziemlich simpel:

Den abolitionistischen Ansatz zu verfolgen und abolitionistische Aufklärung über Veganismus anstatt regulierender Tierschutzreformen zu betreiben, ist laut Balluch "zum Scheitern verurteilt”, weil "(i)n einer so stark speziesistischen Gesellschaft wie der unsrigen.. es ein großer Energieaufwand (ist), vegan zu leben”, und "die vegane Lebensweise zu mühsam (ist), als dass sie auch nur eine politisch signifikante Minderheit jemals gleichzeitig annehmen und lange genug durchhalten würde." (1)

Worin besteht nun also der "sehr neue Ansatz", den Balluch vorschlägt?

Er ist der Auffassung, dass wir Tierschutzreformen unterstützen sollten. Balluch macht geltend, "dass es zumindest möglich... ist", dass Tierschutzregulierungen schließlich zur Abschaffung der Tierausbeutung (Abolition) führen, sowohl auf individueller wie auf gesellschaftlicher Ebene. Das heißt, die Unterstützung von Tierschutzreformen bringt psychologisch den Einzelnen zum Veganismus und lässt politisch die Gesellschaft sich in Richtung Abolition bewegen.

Mit einem Wort, Balluch schlägt mitnichten einen "sehr neuen Ansatz" vor.

Er schlägt lediglich das vor, was ich in meinem Buch Rain Without Thunder. The Ideology of the Animal Rights Movement und in anderen Schriften als Neuen Tierschutz identifiziert habe. Neuer Tierschutz ist die Ansicht, dass es zwischen Tierschutzreform und Abolition eine Kausalbeziehung gibt in der Weise, dass erstere zu letzterer führt und der beste (oder einzige) Weg ist, die Abschaffung der Tierausbeutung zu erreichen. Ich habe dargelegt, dass der Neue Tierschutz in moralischer wie in praktischer Hinsicht problematisch ist.

Moralisch gesehen ist der Neue Tierschutz problematisch, weil er bedeutet, dass Anwälte der Tiere, die behaupten, die Abschaffung der Tierausbeutung zu befürworten, für vermeintlich "humanere" Formen derselben kämpfen. Das ist nichts anderes, als Folter, Vergewaltigung, Kindesmissbrauch oder Menschensklaverei abzulehnen und für "humanere" Versionen solcher Formen der Ausbeutung anstatt ohne Umwege für ihre Abschaffung zu kämpfen. Wenn Tierausbeutung moralisch nicht zu rechtfertigen ist, sollte ein Anwalt der Rechte von Tieren nicht für "bessere" Arten und Weisen, etwas Falsches zu tun, werben.

Praktisch gesehen funktioniert Tierschutz schlicht nicht. Tierschutz bietet Schutz tierlicher Interessen nur in dem Maß, in dem es für uns wirtschaftlich vorteilhaft ist. Das sollte nicht überraschen, da Tiere Eigentum sind; sie sind Wirtschaftsgüter, die keinen Wert haben außer dem Wert, den wir ihnen erleihen. Tiere unterscheiden sich von unbelebten Dingen, das uns gehört, da sie, anders als diese, fühlende Wesen sind, die Interessen haben. Aber es kostet Geld, diese Interessen zu schützen, und wir sind im Allgemeinen nur das Niveau an Schutz zu "kaufen" bereit, das durch den wirtschaftlichen Wert tierlichen Eigentums gerechtfertigt ist. So mögen wir zum Beispiel verlangen, dass eine Kuh im Schlachthaus betäubt wird, bevor wir sie festketten, hochwinden und aufschneiden, aber wir tun dies, weil, wenn wir es nicht tun, die Kuh sich bewegt, Schlachthausarbeiter verletzt und Schaden an ihrem Körper verursacht, was die Qualität ihres "Fleisches" mindert.

Wir haben Tierschutz jetzt seit 200 Jahren und es gibt durchaus keinen Beleg dafür, dass Tierschutzreformen zur Abschaffung der Tierausbeutung führen. Tatsächlich beuten wir mehr Tiere auf schrecklichere Arten und Weisen aus als jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit. Überdies gibt es die Tendenz, dass in dem Maß, in welchem die Öffentlichkeit der Meinung ist, Tiere würden "humaner" behandelt, deren fortgesetzte Ausbeutung ermutigt wird. Gegenwärtig sehen wir in den Medien eine Story nach der anderen, dass Menschen, die kein Fleisch oder andere Tierprodukte mehr aßen, damit wieder angefangen haben, weil sie glauben, dass Tiere infolge vermeintlicher Reformen im Tierschutz besser behandelt werden.

Balluch hat mich um eine Rückmeldung speziell zu seinem "sehr neuen Ansatz" gebeten. Ich nehme dazu folgendermaßen Stellung:

Aufkärung über Veganismus ist "zum Scheitern verurteilt"

Balluch argumentiert, dass es Zeitverschwendung sei, die Öffentlichkeit über Veganismus aufzuklären, weil man dies seit 130 Jahren in Österreich versucht und es nicht funktioniert habe. Ich kann nicht für die Situation in Österreich sprechen, aber die Bewegung für Tiere im Allgemeinen hat zu keiner Zeit für Veganismus als ihre klare und unzweideutige moralische Grundlinie geworben. Im Gegenteil wird Veganismus von führenden Anwälten der Tiere, wie Peter Singer, als "fanatisch" dargestellt. Singer spricht vom gelegentlichen Konsum tierlicher Produkte als von einem "Luxus" und vertritt die Auffassung, dass wir sogar eine Verpflichtung dazu, nicht vegan zu sein, haben mögen, wenn unser Vegansein andere verstimmt. Die Bewegung fördert aktiv "Bio-Fleisch" und "Bio-Milch/Eier''und das Etikettieren von Tierleichen und Tierprodukten als "human" produziert, und sie verleiht Auszeichnungen an Designer von Schlachthäusern. Die Bewegung unterscheidet zwischen Fleisch und anderen Tierprodukten, wobei sie Ovo-Lacto-"Vegetarismus" als Standardposition betrachtet.

Die Bewegung für Tiere hat, mit Ausnahme von Pionieren wie Donald Watson, Veganismus konsequent marginalisiert. Es kann wirklich das Spendenaufkommen beeinträchtigen, wenn Sie den Leuten erzählen, dass Veganismus das Mindeste ist, was sie tun können, wenn sie die Interessen von Tieren ernst nehmen. Balluch räumt dies selber ein. Er stellt fest, dass österreichische Tierschutzgruppen 30 Mio Euro an Spenden jährlich einnehmen; "[e]inige bieten zusätzlich auch explizit vegane Kampagnen neben ihrer Reformtätigkeit an. Würden alle Tierschutzgruppen sich auf rein abolitionistische Kampagnen verlegen, sie würden drastisch auf die Größe veganer Gesellschaften schrumpfen und all ihren Einfluss und ihre Möglichkeiten, auch für Veganismus zu werben, verlieren." Wir können also nicht Abolition und Veganismus vorantreiben, weil das die Spenden zurückgehen lassen und dem ein Ende setzen würde, was auch immer als veganer Aktivismus von jenen Tierschutzgruppen unterstützt wird. Balluchs Argumentationsweise ist atemberaubend.

Doch obwohl Balluch sich im Irrtum befände zu behaupten, dass Veganismus jemals die Grundlinie der Bewegung gewesen ist, würde dieser Irrtum seine Analyse nicht beeinträchtigen, weil, ihm zufolge, selbst wenn die gesamte Bewegung dem Veganismus verpflichtet wäre und ihn als klare und unzweideutige moralische Grundlinie verträte, dies ohne Bedeutung wäre. Die Menschen werden [Balluch zufolge] einfach nicht vegan, weil die Gesellschaft speziesistisch und es für die meisten zu schwierig ist, vegan zu leben. Die Öffentlichkeit "schwimmt einfach mit dem Strom und wählt den Weg des geringsten Widerstands.-" [1]

Wir sollten allerdings die Hoffnung laut Balluch nicht verlieren, der spekuliert, "dass es zumindest möglich, wenn nicht sogar statistisch sehr wahrscheinlich ist, dass sich ein Mensch psychologisch von der Tiernutzung über den Tierschutz zum Tierrecht entwickelt." Das heißt, wenn wir Menschen dazu ermutigen, Tierschutz zu unterstützen, ist es "möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich", dass sie schließlich die vegane Lebensweise annehmen.

Doch Balluch lässt uns im Unklaren darüber, wie genau diese Transformation vonstatten gehen soll. Stellenweise sieht es so aus, als verföchte er die Ansicht, dass Tierschutzregulierungen Tierprodukte letztlich so teuer machen werden, dass die Leute keine andere Wahl haben, als vegan zu leben. Einmal davon abgesehen, dass dieses Szenario voraussetzt, dass eine Öffentlichkeit, der es nicht um die Abschaffung der Tierausbeutung zu tun ist, regulierende Reformen, von denen Balluch behauptet, sie führten schrittweise zur Abolition, unterstützten wird, erhöht Tierschutz, wie ich unten darlege, im Allgemeinen die wirtschaftliche Effizienz der Tierausbeutung und nicht die Produktionskosten. Und angesichts der Gegebenheiten des "freien Handels" würden, selbst wenn Regulierungen Produktionskosten und Preise steigen ließen, billigere Importe erhältlich sein, um die Nachfrage zu befriedigen.

An anderen Stellen macht Balluch anscheinend geltend, dass Menschen durch die Unterstützung von Tierschutzreformen schließlich erkennen, dass Tiernutzung an sich falsch ist. Das heißt, wenn wir die Leute dazu ermutigen zu glauben, dass die Ausbeutung von Tieren moralisch akzeptabel, weil reguliert, ist, werden sie irgendwann einmal dahin kommen, einzusehen, dass Tiernutzung keinesfalls moralisch akzeptabel ist. Warum denkt Balluch, dass die Bekräftigung der Ansicht, dass Tiernutzung moralisch akzeptabel ist, irgendwann zum Ende von Tiernutzung führen wird? Balluch ist der Auffassung, dass Tierschutzkampagnen helfen, Menschen für Tierleid zu sensibilisieren. Aber die überwältigende Mehrheit der Menschen akzeptiert bereits und hat sei geraumer Zeit akzeptiert, dass es moralisch falsch ist, Tieren "unnötiges" Leiden zuzufügen. Es gibt keinen empirischen Beleg dafür, dass dies in eine abolitionistische Richtung geführt hätte.

Balluchs Argument dafür, warum Aufklärung "zum Scheitern verurteilt" ist, ist überhaupt kein Argument. Er setzt voraus und zieht eine Schlussfolgerung aus etwas, das erst zu beweisen wäre, wenn er behauptet, dass wir Tierschutz unterstützen müssen, weil wir Tierschutz unterstützen müssen.

Ich finde es schwierig, wenn nicht unmöglich, zu glauben, dass es, wenn die Bewegung sich entschieden hätte, die Hunderte von Millionen (vielleicht Milliarden) Dollar, die sie in den vergangenen Jahrzehnten allein in den USA ausgegeben hat, anstatt in Tierschutzkampagnen darin zu investieren, Veganismus in einer klaren und unzweideutigen Weise voranzutreiben, nicht Hunderttausende mehr Veganer gäbe als es heute gibt. Dies würde das Fundament für eine politische Bewegung schaffen, die einen bedeutungsvollen Schutz tierlicher Interessen, einschließlich Verboten der Nutzung von Tieren, anstreben könnte.

Zuletzt bietet Balluchs Essay ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Anwälte der Tiere die vegane Position marginalisieren. Er geht sehr ausführlich darauf ein, wie schwierig es ist, in einer nichtveganen Gesellschaft vegan zu leben. Solange Anwälte der Tiere Veganismus als ein extremes Opfer, das einen zum "Märtyrer" für die Tiere macht, oder als "fanatisch" darstellen, werden sie jedenfalls andere nicht dazu ermutigen, vegan zu werden. Ich bin seit 26 Jahren Veganer. Ich betrachte es als keinerlei Opfer, und die Grundlagen der veganen Ernährung sind nahezu überall verfügbar. Ich bin nicht stärker versucht, Tierprodukte zu essen, weil ich in einer nichtveganen Gesellschaft lebe, als ich versucht bin, irgendetwas anderes zu tun, was ich für moralisch fundamental falsch halte.

Und selbst wenn Balluch Recht hat, dass Menschen daran, dem Veganismus verpflichtet zu sein, nicht immer festhalten, sollte das nicht bestimmen, was unsere Botschaft sein soll. Die Tatsache, dass Rassismus, Sexismus und Heterosexismus in unserer Kultur noch immer grassieren, bedeutet nicht, dass wir unsere Botschaft ändern und diese Formen der Diskriminierung stillschweigend dulden sollten, weil viele Menschen sich noch immer darin betätigen.

Die Unerheblichkeit der Öffentlichkeit

Balluch behauptet, dass die Öffentlichkeit unwichtig im Kampf für Tierrechte sei, weil "(d)er Konflikt um eine Systemänderung in Richtung Ende der Tierausbeutung und Veganismus.. ein direkter politischer Konflikt zwischen Tierrechtsbewegung und Tierausbeutungsseite bzw. Tierindustrie (ist)." Die Öffentlichkeit ist unerheblich; sie "schimmt einfach mit dem Strom und wählt den Lebenswandel des geringsten Widerstands." [2]

Obwohl es sicherlich der Fall ist, dass der Kapitalismus durch das Erzeugen von Konsumwünschen gedeiht, ist die Vorstellung, dass die Tierindustrie der Hauptmotor der Tierausbeutung sei, absurd. Die Tierindustrie existiert, weil die Öffentlichkeit Tierprodukte verlangt. Würde die Öffentlichkeit aufhören, Tierprodukte zu verlangen, würden jene, die Kapital in das Geschäft mit Tieren investiert haben, ihr Kapital woanders anlegen.

Es gibt kaum einen empirischen Anhaltspunkt dafür, dass die Öffentlichkeit irgendeine wirkliche Herausforderung ihrer Möglichkeit, Tierprodukte zu konsumieren, tolerieren würde. Die Öffentlichkeit mag kosmetische Reformen unterstützen, die keinen erheblichen Preisanstieg zur Folge haben, insbesondere wenn billigere Produkte importiert werden können, aber Balluch macht sich etwas vor, wenn er denkt, dass seine Strategie, Veganismus durch Tierschutzreformen gesetzlich zu bewirken, selbst wenn dies praktisch möglich wäre, von der Öffentlichkeit akzeptiert würde, bevor diese von der Immoralität der Tiernutzung überzeugt ist. Die Vorstellung, die Tierrechtsbewegung könne ohne die aktive Unterstützung der Öffentlichkeit den Druck ausüben, der für wesentliche Änderungen notwendig ist, lässt überdies einen tief gehenden Mangel an Verständnis des politischen Prozesses erkennen.

Die wirtschaftliche Wirkung von Tierschutzreformen

Balluch behauptet: "(E)s ist ebenso zumindest möglich – wenn wir auch dazu bisher noch keine statistischen Daten über die Wahrscheinlichkeit haben –, dass sich eine Gesellschaft politisch über den Tierschutz zu Tierrechten entwickelt." Er unterstellt, dass Tierschutzreformen die Tierindustrie schwächen und die Nachfrage nach Tierprodukten sinken lassen, indem diese teurer und dadurch die Menschen veranlasst werden, auf vegane Alternativen zurückzugreifen.

Balluch versteht die Natur von Tierausbeutung und Tierschutzreformen nicht.

Tierschutzreformen schwächen die Tierindustrie im Allgemeinen nicht. Dies ist so, weil Tierschutzreformen Tierausbeutung generell wirtschaftlich effizienter machen und die Tierindustrie tatsächlich stärken. Zum Beispiel hat sich gezeigt, dass Alternativen zum Kastenstand für Schweine und Kälber den Profit für Produzenten erhöhen.

Die aktuelle Kampagne in den USA, die elektrische Betäubung bei der Schlachtung von Geflügel durch ein "Töten in kontrollierter Atmosphäre" [controlled atmosphere killing / CAK] zu ersetzen, gründet sich ausdrücklich auf den wirtschaftlichen Nutzen für Produzenten und Konsumenten. Laut der Hunane Society of the United States (HSUS) führt das Vergasen von Geflügel "zu Kosteneinsparungen und steigenden Einkünften durch verminderte Herunterstufung des Schlachtkörpers, weniger Verunreinigungen und Kühlungskosten, durch Steigerung der Erträge, Qualität und Haltbarkeit des Fleisches sowie Verbesserung der Arbeitsbedingungen."

Laut People for the Ethical Treatment of Animals (PETA) “senkt die Schlachtmethode der elektrischen Betäubung die Produktqualität und den Ertrag, weil die Vögel Knochenbrüche erleiden und das Verfahren in für die menschliche Gesundheit schädlichen Verunreinigungen resultiert." Die Methode der elektrischen Betäubung "erhöht die Arbeitskosten" zudem in verschiedener Weise. PETA argumentiert, dass CAK "Produktqualität und Ertrag erhöht", weil Knochenbrüche, Quetschungen und Blutungen angeblich vermieden, Verunreinigungen vermindert, die "Lagerfähigkeit des Fleisches" erhöht und "zarteres Brustfleisch" produziert wird. PETA macht überdies geltend, dass CAK "die Arbeitskosten senkt" durch das verminderte Erfordernis bestimmter Inspektionen, geringere Unfallhäufigkeit und sinkende Fluktuation. CAK bietet "weitere ökonomische Vorteile" für die Geflügelindustrie, indem das Verfahren Produzenten erlaubt, Geld bei Energiekosten und durch die Reduzierung von Abfallprodukten und Wasserverbrauch zu sparen.

Darüber hinaus können Produzenten einen Spitzenpreis kassieren, indem sie ihr Fleisch als "human" etikettieren, und vielleicht sogar die Unterstützung durch Tierschutzorganisationen erhalten, die verschiedene Etikettierungsmodelle befürworten und sponsern.

Tierschutzreformen beeinflussen die Nachfrage der Konsumenten aus einer Reihe von Gründen nicht. Erstens resultieren die meisten Tierschutzreformen nicht in einer Preissteigerung, die ausreicht, um sich auf den Konsum auszuwirken. Zweitens wechseln Konsumenten nicht in dem Maß, in dem eine Preissteigerung erheblich ist, zu veganen Alternativen, sondern greifen zu billigeren Tierprodukten. Wenn also der Preis für Rindfleisch aus welchen Gründen auch immer steigt, kaufen Konsumenten mehr Geflügel, Schweinefleisch, Lamm oder Fisch. Sie kaufen nicht Tofu. Drittens führt angesichts der Tatsache, dass der größte Teil der Welt heutzutage in Abkommen des "Freihandels" eingebunden ist, ein Preisanstieg für eine Ware in einem Land dazu, dass billige Importe auf den Markt kommen.

Balluchs Beispiele

Die Beispiele, die Balluch liefert, um seine Position zu stützen, tun dies nicht.

Sein Hauptbeispiel hat mit der österreichischen Eierindustrie zu tun. Balluch macht geltend, dass Österreich Legebatteriekäfige dem angenommenen Stichtag der Europäischen Union 2012 vorausgehend verboten hat und dass die Eierproduktion um 35 % gefallen ist. Ich habe nicht vermocht, etwas diese Aussage Erhärtendes zu finden. Laut Statistik Austria [3] betrug die gesamte Eierproduktion in Österreich 89,271 Tonnen im Jahr 2005 und 90,613 Tonnen im Jahr 2006. Das ist eine Steigerung von 1,5 %. Von dieser Gesamtproduktion entfielen 3,510 Tonnen 2005 und 3,902 Tonnen 2006 auf Eier für Brutzwecke. Zieht man diese Zahlen von der Gesamtproduktion ab, betrug die Eierproduktion 2005 85,761 Tonnen und 2006 86,711 Tonnen. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Eiern stieg von 233 Stück 2005 auf 236 Stück 2006. Außerdem sieht es so aus, als importiere Österreich auch mehr Eier. Die Produktionszahlen für 2007 sind auf Statistik Austria noch nicht verfügbar. Ich weiß nicht, woher Balluch seine Zahl von 35 % Rückgang der Eierproduktion nimmt, aber seine Behauptung wird nicht gestützt durch die Zahlen, die ich gefunden habe.

Überdies ist in gewisser Hinsicht das Niveau der Eierproduktion in Österreich irrelevant. Österreich ist Teil der Europäischen Union. Wenn der Eierpreis in Österreich wesentlich ansteigt oder wenn die dortige Produktion die Nachfrage nach Eiern nicht deckt (was der Fall wäre, wenn es zuträfe, dass, wie Balluch sagt, die Eierproduktion um 35 % gesunken ist), werden Eier aus anderen EU Ländern importiert, die noch die konventionellen Batteriekäfige haben. Obwohl die EU angibt, Batteriekäfige von 2012 an zu verbieten, ist die Vorstellung, dass alle EU-Länder dieses Datum einhalten werden, mehr als unrealistisch. Hinzu kommt, dass die EU-Vorschrift "ausgestaltete" Käfige erlaubt, die im Wesentlichen Batteriekäfige sind, welche selbst von moderaten Tierschutzorganisationen abgelehnt werden. Diese Käfige können weiterhin verwendet werden, auch wenn alle EU Länder der Vorschrift bis 2012 entsprechen sollten. Obwohl Balluch behauptet, dass Österreich auch die "ausgestalteten" Käfige verboten hat, gibt ein anderer Teil seiner Website an, dass "ausgestaltete" Käfige, die vor dem 01.Januar 2005 gebaut wurden, bis 15 Jahre nach ihrer ersten Inbetriebnahme verwendet werden dürften.

Zuletzt unterstellt Balluch, dass "käfig-freie" oder Eier aus "Bodenhaltung" für die Hennen ein wesentlich besseres Leben bedeuten. Das ist ein Mythos. Werfen Sie einen Blick auf das exzellente Informationsmaterial (1, 2), das von Peaceful Prairie Sanctuary zu Eiern aus "Freilandhaltung" herausgegeben wird.

Balluch bietet mehrere andere Beispiele. Er führt das österreichische Verbot von Wildtieren im Zirkus an. Das Problem ist natürlich, dass domestizierte Tiere nach wie vor in Zirkussen in Österreich zugelassen sind; Balluch stellt fest, dass "Pferde, Rinder, Schweine und Hunde" weiterhin in Zirkussen genutzt werden. Vielleicht ist er der Meinung, dass es einen moralischen Unterschied zwischen der Nutzung nicht domestizierter Tiere und der Nutzung domestizierter Tiere gibt. Ich bin anderer Meinung.

Balluch führt das österreichische Verbot von Pelzfarmen an, aber er räumt ein, dass das Verbot "an sich keinen Rückgang im Pelzhandel bewirkt, es wurden eben Pelze aus dem Ausland nach Österreich eingeführt." Balluchs eigene Beobachtung widerlegt seine allgemeine These, dass die Öffentlichkeit irrelevant, dass Aufklärung Zeitverschwendung, dass das Problem der Tierausbeutung ein Konflikt zwischen Tierrechtsbewegung und Tierindustrie ist und dass die Öffentlichkeit einfach "mit dem Strom schwimmt und den widerstandslosesten Lebenswandel wählt". Österreich hat Pelzfarmen verboten. Die Pelzfarmer wurden vom Markt verdrängt, aber der Pelzverkauf in Österreich ist nicht zurückgegangen. Dies beweist in ziemlich überwältigender Weise, dass, wenn die Öffentlichkeit nicht aufgeklärt ist und die Nachfrage nach Tierprodukten fortbesteht, Tiere fortgesetzt ausgebeutet werden. Die Tatsache, dass das eigentliche Töten von Tieren woanders stattfindet, ist irrelevant.

Balluch stellt fest, dass Österreich hat, was er anscheinend als einzigartige straf- und verfassungsrechtliche Gesetzgebung erachtet.
§6 (1) Tierschutzgesetz: Es ist verboten, Tiere ohne vernünftigen Grund zu töten.
§222 (3) Strafgesetzbuch: Es ist verboten, Wirbeltiere ohne vernünftigen Grund zu töten.
Verfassung: Der Staat schützt das Leben von Tieren als Mitgeschöpfe des Menschen.
Balluch ignoriert die Tatsache, dass die Nutzung von Tieren in institutionalisierter Ausbeutung einen "guten Grund", Tiere zu töten, darstellt, soweit es das Gesetz betrifft, und dass dies auch für Österreich gilt, das, soweit mir bekannt ist, kein veganes Land geworden ist. Ihm ist anscheinend unbekannt, dass viele Tierschutzgesetze ähnliche Klauseln enthalten und Österreichs Gesetzgebung in keiner Weise einzigartig ist.

Balluch erwähnt das 2005 in Österreich erlassene Verbot der Verwendung von Menschenaffen in Tierversuchen. Davon agesehen, dass österreichische Tierexperimantatoren die Verwendung von Menschenaffen weitgehend eingestellt hatten, bevor das Gesetz in Kraft trat, wird durch die Vorstellung, Menschenaffen seien mehr "wie wir" als andere Tiere und hätten deshalb Anspruch auf größeren rechtlichen Schutz, der Speziesismus verstärkt und nicht abgebaut. Ich bin natürlich froh darüber, dass Tierexperimentatoren in Österreich keine Menschenaffen für zukünftige Experimente verwenden können, aber ich warne Anwälte der Tiere davor, für ein Gesetz zu kämpfen mit der Begründung, einige Tiere seien wegen ihrer Menschenähnlichkeit gleicher als andere. Empfindungsfähigkeit ist das einzige Kriterium, dass der Personenstatus erfordert.

"Zweigleisiger Aktivismus" = Aktivismus auf dem falschen Gleis

Balluchs Analyse gleicht derjenigen anderer Neuer Tierschützer. Zum Beispiel befürwortet Norm Phelps in einem kürzlich von "Vegan" Outreach in Umlauf gebrachten Artikel, was er "zweigleisigen Aktivismus" nennt, der die Unterstützung von Tierschutzreformen einschließt. Laut Phelps machen diese Reformen die Menschen "sehr viel empfänglicher für die vegane Botschaft". Er behauptet, dass jene, die den abolitionistischen Ansatz verfolgen, theoretische Folgerichtigkeit über praktische Resultate stellen. Wie Balluch unterstellt Phelps einfach, dass Tierschutzreformen die Industrie schädigen. Wie Balluch hat er anscheinend nicht die leiseste Ahnung von der Ökonomie der Tierschutzregulierung.

Zum Beispiel akzeptiert Phelps die Behauptung, dass die HSUS-Kampagne gegen den Kastenstand für schwangere Sauen ein Beispiel einer Anstrengung ist, welche die Fleischprouduzenten "ökonomisch lähmen" wird. Vielleicht sollte Phelps den HSUS-Bericht lesen, dem zufolge EU-Studien darauf hindeuten, dass
die Produktivität von Sauen in Gruppenhaltung höher als in einzelnen Kastenständen ist infolge reduzierter Verletzungsraten und Krankheit, früherer erster Brunst, schnellerer Rückkehr zur Brunst nach dem Abferkeln, geringeren Vorkommens von Totgeburten und kürzerer Abferkelzeiten. Gruppenhaltung unter Einsatz elekronischer Fütterungsmaschinen (electronic sow feeder/ ESF) sind besonders rentabel... Die Umstellung vom Kastenstand auf Gruppenhaltung mit ESF reduziert die Produktionskosten geringfügig und erhöht die Produktivität.
HSUS zitiert Studien, die zeigen,
dass die Gesamtkosten pro verkauftem Ferkel um 0,6 % niedriger in Gruppen/ESF-Systemen sind, während das Einkommen für den Ferkelzüchter aufgrund gesteigerter Produktivität höher ist ... dass, verglichen mit dem Kastensatnd, Gruppenhaltung mit ESF die Arbeitszeit um 3 % verringert, das Einkommen pro Sau und Jahr geringfügig erhöht….[und dass] [E]insparungen in der Sauenzucht an den Mastbetrieb weitergegeben werden können, wo die Kosten pro Gewichtseinheit um 0,3 % sinken. Allein diese Kostenänderung würde sich im Einzelhandelspreis für Schweinefleisch niederschlagen.
HSUS kommt zu dem Schluss:
Es ist wahrscheinlich, dass Produzenten, die Gruppenhaltung mit ESF einführen, die Nachfrage nach ihren Produkten erhöhen oder einen Preisaufschlag verdienen könnten. Eine Umfrage aus dem Jahr 2003 hat festgestellt, dass 77 % der Konsumenten in Iowa Schweinefleischprodukte von Handelsgesellschaften kaufen würden, deren Nahrungsmittel von Lieferanten kommen, die ihre Schweine ausschließlich unter humanen und umweltgerechten Bedingungen produzieren und aufziehen.
Überdies scheinen Balluch und die anderen Neuen Tierschützer nicht zu verstehen, dass wir in einer Welt begrenzter Ressourcen leben. Jeder Dollar und jede Minute, die wir darauf verwenden, Tierschutzreformen voranzutreiben, machen weniger Ressourcen für kreative, gewaltlose Aufklärung über Veganismus verfügbar. Es ist keine Sache von "zweigleisigem Aktivismus", wenn ein Gleis eindeutig das falsche ist.

Letztlich behauptet Balluch, dass ich in Rain Without Thunder die schrittweise Reform des Tierschutzes befürworte, dass ich nur zu beschränkt darin sei, was ich als abolitionistische Reform betrachte. Seine Kommentare suggerieren, dass ich mich für Tierschutzreformen ausspreche, und dies ist unrichtig. In meinem Buch vertrete ich die Auffassung, dass Anwälte der Tiere sich auf Veganismus und gewaltlose aufklärerische Bemühungen konzentrieren sollen, um das Paradigma von Tieren als Eigentum auszuhöhlen. Ich habe argumentier, dass Anwälte der Tiere, wenn sie Reformen verfolgen wollen, zumindest das Verbot bedeutender institutioneller Komponenten der Ausbeutung im Rahmen einer Kampagne verfolgen sollten, die den inhärenten (innewohnenden) Wert von Tieren anerkennt und der Öffentlichkeit ausdrücklich als Teil einer Gesamtanstrengung zur Abschaffung aller Tierausbeutung präsentiert wird.

Balluchs Vorschlag, dies sollte angemerkt werden, wird nicht einmal diesen Kriterien gerecht. Auf der einen Seite macht er geltend, dass "eine Tierschutzreform.. ein Schritt in Richtung Tierrechte (ist), wenn sie die Tierindustrie entscheidend schwächt". [4] Eine solche Kampagne würde nicht zwangsläufig den Kriterien entsprechen, die ich in Rain Without Thunder vorgestellt habe. Auf der anderen Seite scheint er zu behaupten, dass Anwälte der Tiere jede Reform, einschließlich "Human"-Labels für "Bio-Fleisch", unterstützen sollten, weil jede Tierschutzreform vermutlich für mehr Unterstützung für Tierschutz sorgt, welcher, laut Balluch, in Richtung Tierrechte führt. Diese Kampagnen bauen den Eigentumsstatus von Tieren nicht nur nicht ab, sie verstärken ihn.

Fazit:

Es gibt, in einem Wort, nichts Neues an Balluchs Ansatz. Er unterbreitet lediglich das Paradigma des Neuen Tierschutzes, das die Bewegung in den USA und Großbritannien seit den 1990er Jahren beherrscht und nun anscheinend in andere Teile Europas exportiert worden ist.

Die Vorstellung, dass wir Tierschutz fördern müssen, um ihn zu unterminieren, ist absurd und sollte von all jenen verworfen werden, denen es um das Vermitteln einer moralisch bedeutungsvollen Botschaft und um das Erzielen praktischer Resultate zu tun ist.

Der Ansatz des Neuen Tierschutzes fördert keins von beiden. Der abolitionistische Ansatz fördert beides.

Vegan leben ist nicht, wie Balluch und andere suggerieren, eine Sache schmerzvoller Selbstverleugnung und großen Opfers. Es ist leicht, besser für Ihre Gesundheit und besser für den Planeten. Und was das Wichtigste ist, es ist die Anwendung des Prinzips der Abschaffung der Tierausbeutung in Ihrem täglichen Leben.

Wenn Sie nicht dazu bereit sind, vegan zu leben, sehen Sie schlicht der Tatsache ins Auge, dass sie nicht genug Verantwortungsbewusstsein haben, um das zu tun, was zu tun in Ihrer Macht liegt – zu entscheiden, was Sie sich in den Mund stecken, was Sie anziehen und welche Mittel Sie auf Ihrem Körper anwenden. Verschwenden Sie nicht Ihre Zeit und Ihr Geld, um Tierschutzorganisationen zu unterstützen, die Ihnen erzählen, dass ein bestimmter Tiermissbrauch schlimmer als ein anderer ist und dass, wenn Sie ihnen nur einen finanziellen Beitrag zukommen lassen, sie es für Sie in Ordnung bringen.

Nein, dadurch, dass Sie vegan leben, haben Sie nicht die Probleme der Welt gelöst. Sie entfernen sich nicht vollständig von der Tierausbeutung, die jeden Aspekt unseres Lebens durchdringt und selbst im Belag unserer Straßen, in unseren Häusern, Farbanstrichen, Kunststoffen und vielen anderen Dingen gegenwärtig ist. Aber wenn die Mehrheit von uns Tierprodukte von ihrem Teller verbannte und sie anderweitig zu konsumieren aufhörte, würde die Industrie sehr schnell Alternativen zu billigen tierlichen Nebenprodukten finden.

Gary L. Francione
© 2008 Gary L. Francione

Anm. d. Übers.
[1], [2], [4] Wörtliche Übersetzung; die anderen Zitate von Balluch sind der deutschen Version seines Essays entnommen.

[3] deutsche Fassung