Wednesday 12 August 2009

Eine Anmerkung zu moralischer Schizophrenie

von Gary L. Francione Blog

Liebe KollegInnen,

In meinem Buch Introduction to Animal Rights. Your Child or the Dog?, herausgegeben 2000 von Temple University Press, führe ich den Begriff ''moralische Schizophrenie'' ein. Zu meinem Gebrauch dieses Ausdrucks habe ich Kommentare erhalten, und diese fallen unter zwei Gruppen:

Einige Leute beschuldigten mich der Vermischung von moralischer Schizophrenie mit multipler /gespaltener Persönlichkeit.

Wenn ich von moralischer Schizophrenie spreche, versuche ich, die wahnhafte und verdrehte Art und Weise unseres Denkens in Bezug auf Tiere als einen sozialen und moralischen Sachverhalt zu beschreiben. Diese Verdrehtheit kann natürlich miteinander in Konflikt stehende oder sich widersprechende Arten und Weisen, Tiere zu sehen, einschließen (einige Tiere sind Familienmitglieder, andere sind Essen), aber das heißt nicht, dass ich eine klassische gespaltene oder multiple Persönlichkeit beschreibe. Unsere moralische Schizophrenie, die unsere Selbsttäuschung über tierliche Empfindungsfähigkeit und über die Ähnlichkeiten zwischen uns und anderen Tieren einschließt, und ein enormes Ausmaß an Verwirrung über den moralischen Status von Tieren ist ein Phänomen, das ziemlich kompliziert ist und viele verschiedene Aspekte hat.

Einige Leute denken, dass ich, indem ich diesen Ausdruck verwende, Menschen mit klinischer Schizophrenie stigmatisiere, weil er impliziert, das sie unmoralische Menschen sind. Es tut mir aufrichtig Leid – und das meine ich ernst – , wenn jemand den Ausdruck so interpretiert hat, und das ist es sicherlich nicht, was ich beabsichtigt habe. Schizophrenie ist ein anerkannter Zustand, der durch wirres und wahnhaftes Denken gekennzeichnet ist. Zu sagen, dass wir wahnhaft und verwirrt sind, wenn es um moralische Fragen geht, bedeutet nicht, zu sagen, dass jene, die an klinischer Schizophrenie leiden, unmoralisch sind. Es bedeutet nur, festzustellen, dass viele von uns hinsichtlich wichtiger moralischer Angelegenheiten in völlig verdrehter, wahnhafter und unzusammenhängender Art und Weise denken. Ich sage mit Bestimmtheit nicht, dass jene, die an klinischer Schizophrenie leiden, unmoralisch sind!

Zu sagen, dass der Ausdruck ''moralische Schizophrenie'' Menschen mit klinischer Schizophrenie stigmatisiert, heißt zu sagen, dass die Rede von ''Drogenkonsum, der sich wie Krebs ausbreitet'' Krebsopfer stigmatisiert.

Ich hoffe, dies lasst klar werden, was ich meine, wenn ich von unserer moralischen Schizophrenie spreche, wenn es um Tierethik geht. Ich hoffe auch, dass klar ist, dass ich diesen Ausdruck nicht in einer Weise verwende, die klinische Schizophrenie als unmoralisch darstellt oder darzustellen beabsichtigt.

Gary L. Francione
© 2009 Gary L. Francione